Henkels Hetze

Man kann es so sehen: Es ist schlimm, was am vergangenen Wochenende in den Notunterkünften für Flüchtlinge passiert ist. In Hakenfelde und Tempelhof, wo mehrere tausend Asylsuchende in Hallen und Hangars untergebracht sind, gab es zwei Schlägereien, an denen jeweils über 100 Personen beteiligt waren. Mehrere Personen wurden verletzt, soweit bekannt durch Schläge.
Man kann es aber auch anders sehen: Überall in der Stadt sind Massenunterkünfte entstanden, in denen teilweise Tausende Menschen auf engem Raum und meist ohne Privatsphäre zusammen leben müssen. Trotzdem gibt es relativ selten kritische Situationen, obwohl man davon ausgehen kann, dass sehr viele der Betroffenen einen Lagerkoller haben.
Oder man sieht es so, wie der CDU-Innensenator Frank Henkel, der die Situation der Flüchtlinge in den Lagern völlig ignoriert und die Vorfälle als Taten von Kriminellen hinstellt. Er droht ihnen mit Gefängnis und poltert: „Diese Rechtsbrüche sind unerträglich und nicht hinnehmbar.“

Dabei ist es gerade sein Parteikollege und Mario Czaja, der für eine vernünftigere Unterbringung verantwortlich wäre. Stattdessen hetzt Henkel aber gegen die Opfer der Unfähigkeit des Lageso und Senats. Obwohl Ehrenamtliche sowie die Hilfsorganisationen einige Tipps geben, wie die Lage in den Massenunterkünften entspannt werden könnte, ignoriert der Senat dies. Sprachkurse, einfache Freizeitangebote, um der Lethargie in den Lagern entgegenzuwirken, Betreuung durch Psychologen und Sozialarbeiter, bessere Organisierung der Essenausgabe – das wären keine großen Aktionen, die bisher aber fast nur von Ehrenamtlichen übernommen werden.

Soweit  bisher bekannt haben die Schlägereien vom Wochenende an den Ausgabeschaltern für die Essensverpflegung begonnen. Wer einmal in einer der Unterkünfte war, den wundert das nicht: Die Küchen und Lebensmittelausgaben sind meist unterdimensioniert, in manchen dieser Lager reicht die Kapazität nur für ein Zehntel der anwesenden Flüchtlinge. Trotzdem sind sie nur einige Stunden am Tag geöffnet, anstatt sie rund um die Uhr in Betrieb zu halten.
Dass es da zu Spannungen kommt, ist doch klar. Das Gefühl kennt jeder, der schon mal in der Betriebskantine oder einem Fastfood-Restaurant in der Reihe stand und den Eindruck hatte, dass es einfach nicht vorwärts geht. Nur dass hier nicht 5 oder 10 Leute vor einem stehen, sondern 50 oder 100. Und dies jeden Tag, über Wochen und Monate.
Dass es auch anders geht, zeigt die Notunterkunft in den Messehallen. Dort achten die Betreiber der Malteser trotz einer Belegung mit 1.000 Flüchtlingen darauf, dass es ausreichend Platz im Essensbereich gibt, dazu eine Betreuung, Sportmöglichkeiten.

Die meisten der Flüchtlinge sind verzweifelt, weil sie Familienmitglieder und Freunde verloren haben, dazu ihr Hab und Gut, ihre Wohnung, ihre Heimat, ihr gesamtes bisheriges Leben. Sie wissen nicht, wie für sie die Zukunft aussieht in einem Land, das kalt ist, eine unbekannte Sprache hat, eine fremde Schrift und in dem viele Menschen offen zeigen, dass sie die Flüchtlinge ablehnen.
Es ist nicht einfach aber machbar, auch Notunterkünfte menschlicher zu gestalten, die Situation dieser Menschen etwas zu entspannen, damit sie nach ihrer Flucht endlich mal zur Ruhe kommen. Stattdessen werden ihnen oft noch rassistische oder empathielose Sicherheitswachleute vorgesetzt, nicht nur am Lageso, sondern auch in manchen Lagern.

Während der Senat jetzt eine Großunterkunft mit 12.000 Plätzen in Tempelhof plant, fordern Grüne, Linke und Piraten, dass endlich auch die zahlreichen leer stehenden Immobilien belegt werden, in denen es richtige Zimmer gibt, statt Hallen mit Hunderten von Personen.
Wenn es zu Spannungen und Auseinandersetzungen kommt, dann muss man überprüfen, wie die Lage vor Ort verbessert werden kann. Stattdessen beginnt der Innensenator offenbar schon mit dem Wahlkampf. Wahrscheinlich hofft er mit seiner Hetze den Rechtextremisten der AfD Stimmen abzuluchsen, indem er seine CDU als Alternative anpreist, die ja auch gegen die Flüchtlinge vorgeht. Das ist nichts anderes als neudeutsch „Populismus“. Man kann es aber auch Rassismus nennen.

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