Vaganten Bühne

Als Vaganten (lateinisch vagare, ziellos unterwegs sein) wurden umherziehende Kleriker auf der Suche nach einem geistlichen oder weltlichen Amt, Studenten und allgemein gelehrte Bohème des 12. und 13. Jahrhunderts bezeichnet. Man sagte ihnen damals durchaus einige Zuchtlosigkeit nach. Teile der Wandervogel-Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezogen sich ebenfalls auf diesen Begriff.

Die Vaganten Bühne, die sich gleich neben dem Quasimodo auch unterhalb des Delphi befindet, geht tatsächlich auf diese Tradition zurück. Gleich nach dem Krieg gegründet spielte die Truppe vor allem christlich orientierte Theaterstücke. Sie hatte anfangs keine feste Bühne, sondern zogen durch kirchliche Gemeindesäle, Schulen und andere Spielstätten in Berlin und anderen Gemeinden. Damals nannte sich die Gruppe um Horst Behrend noch „Theater im Koffer“, im Februar 1949 wurde sie in „Die Vaganten“ umbenannt. Eine Besonderheit war, dass die Vaganten sowohl im Westen, wie auch im Osten auftraten, was aber durch die zunehmende Reglementierung in der DDR immer schwieriger wurde. Trotzdem gehörten dem Ensemble bis zum Mauerbau Künstler aus beiden Teilen Berlins an. Deshalb gab es nach dem 13. August 1961 Probleme, die nun in Ost-Berlin eingesperrten Schauspieler zu ersetzen.

Bereits Anfang der 1950er Jahre hatte sich die inhaltliche Ausrichtung der Vaganten geändert. Die Schauspieltruppe spielte nun nicht mehr religiöse Stücke, sondern modernes Theater, bald auch Komödien und Kriminalstücke. Sie selbst beschreibt diese Entwicklung so:
„“Alles begann mit dem expressionistischen Nachkriegstheater, dann folgte das vor allem durch Frankreich geprägte Theater des Existentialismus und später das Theater des Absurden. Bald beherrschten verschiedene Phasen von symbolistischem bis hin zu naturalistischem Theater die Inszenierungen, sowie dokumentarisches und – auf Inhalte bezogen – sozialrealistisches oder -engagiertes Theater.“

Im Jahr 1956 erhielt die Gruppe eine eigene Spielstätte. Nachdem der Delphi Tanzpalast als Kino neu eröffnet hatte, wurden die ehemaligen Kühlräume nicht mehr gebracht. Dort hinein zogen die Theaterleute, die nun ihre eigene „Vaganten Bühne“ hatten.
Wenige Jahre apäter expandierten sie und eröffneten mit dem „Theater am Kreuzberg“ sowie dem „Theater an der Spree“ im heutigen Haus der Kulturen der Welt im Tiergarten weitere Spielstätten. Damals hieß das Gebäude noch Konresshalle und hatte einen Saal mit 400 Plätzen, der von Horst Behrend 1959 angemietet wurde. Dort wurde die Stücke jeweils nur wenige Tage aufgeführt. Während in der Vaganten Bühne in der Kantstraße eher „Avantgarde-“ und experimentelle Stücke auf dem Spielplan standen, war das Theater an der Spree stärker konventionell und an anspruchsvoller Unterhaltung orientiert. Es existierte bis Mitte der 60er Jahre.
Das Theater am Kreuzberg öffnete im Februar 1962 im Georg-Wilhelm-Schulze-Haus in der Kreuzbergstraße 47. Dort war der Spielplan eher für jugendliches Publikum und Schüler ausgerichtet. Dieses Theater bestand bis 1965, später zog dort die „Kleine Oper Kreuzberg“ ein.

Die Vaganten Bühne ist mit 99 Plätzen eines der kleinen Theater in der Stadt. In seiner Geschichte aber hat es schon rund zwei Millionen Zuschauer unterhalten, immerhin mehr als die Hälfte der Berliner Bevölkerung.
Sie war eines der ersten Avantgarde-Theater, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Bis heute macht sie immer mal wieder von sich reden. So mit „Die gesammelten Werke William Shakespeares in 90 Minuten“. Oder mit der Produktion „Menschen im Hotel“, das nicht nur auf der Theaterbühne aufgeführt wurde, sondern das die Zuschauer ganz real mitnahm in das nahe Savoy-Hotel, wo das Stück weitergespielt wurde.

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