Missglückte Rückreise

Zwei Tage lang streikten die Flughafenarbeiter in Tegel und Schönefeld. Das bedeutet, das viel durcheinander ist. Wer sonst per Flugzeug nach Berlin kommt, muss mit dem Zug fahren oder irgendwie anders einen Weg finden. Die Züge waren voll diese Tage. Übervoll, da die Bahn nicht so flexibel ist, um mehrere zehntausend Passagiere in zusätzlichen Zügen zu befördern.

Manchmal, wenn die Geschäfte schlecht laufen, stehen sich am Hauptbahnhof um die 200 Taxis die Reifen eckig, beide Taxistände sowie die gesamte Nachrücke sind dann voll. Vorgestern und gestern Nacht waren es mindestens 100 mehr, die Schlange zog sich um den ganzen Bahnhof und dann die Spree entlang, mehrere hundert Meter weit. Diesmal allerdings nicht wegen schlechter Geschäfte, sondern weil die Streikopfer es gewohnt sind, nicht mit der S-Bahn, sondern mit dem Taxi weiterzufahren. Auch wer als 300. Taxi ankam, war nach einer Viertelstunde mit Fahrgästen wieder unterwegs.

Die Taxikollegen waren happy, manche Fahrgäste jedoch nicht. Zwar war der Streik vorher angekündigt, wenn auch ursprünglich nur für einen Tag statt für zwei, trotzdem konnten manche nicht umbuchen. Flüge die von weiter weg nach Berlin kamen, mussten auf einen anderen Flughafen umgeleitet werden. Sie führten stattdessen nach Leipzig, Dresden oder Hamburg. Dort strandeten auch meine drei Fahrgäste, die ich Montagnacht um 3 Uhr noch am Hauptbahnhof aufgegabelt habe. Mit Koffern wie von einer Großfamilie standen sie verloren auf dem Europaplatz und kamen winkend auf mich zu, als ich gerade auf dem Weg nach Hause war. Bis ich alle Gepäckstücke verstaut hatte, dauerte es einige Minuten. Das Taxi hat eigentlich genug Stauraum, es gilt sogar als Großraumwagen, aber diesmal kam es an den Rand seiner Kapazität. Der letzte Koffer passte nicht mehr rein, er musste schließlich mit auf den Rücksitz.

Während der Fahrt nach Schöneberg erzählten meine Fahrgäste, dass sie gerade aus Bangkok kamen. Sie waren seit 24 Stunden unterwegs und sollten eigentlich schon Stunden vorher in Berlin landen. Da das wegen des Streiks nicht ging, wurde die Maschine nach Hamburg umgeleitet. Dort fuhr aber kein Zug mehr nach Berlin, deshalb mietete die Airline kurzfristig einige Busse, die die Flugpassagiere dann nochmal drei Stunden lang bis zu unserem Hauptbahnhof brachte. Entsprechend gerädert kamen sie hier an.

Nachdem Fahrgäste und Gepäck gut verstaut waren, ging die Fahrt recht schnell durch nachtleere Straßen. Die 18,90 Euro wurden wenig großzügig auf Zwanzig aufgerundet, dann alles ausgepackt und der Feierabend konnte beginnen.

Am nächsten Nachmittag nach dem Aufwachen hatte ich eine SMS von meinem Tagfahrer-Kollegen auf dem Handy: „Schwarze Tasche im Auto gefunden, irgendwas medizinisches.“ Bei meinem Schichtbeginn sah ich dann, dass es sich um ein Infusionsspritzbesteck handelte, vermutlich für den Eigentümer wichtig. Es konnte eigentlich nur von den letzten Fahrgästen stammen. Also fuhr ich auf gut Glück zu der Adresse am Kleistpark, die hatte ich glücklicherweise noch im Kopf. Am Haus las ich 12 Namen auf den Klingelschildern, ich wollte einfach irgendwo klingeln und nach den Thailandurlaubern fragen. Stattdessen öffnete sich aber die Tür und einer meiner Fahrgäste stand vor mir. Als er mich sah, begriff er gleich, dass er großes Glück hatte. Er erzählte kurz, dass er sich täglich spritzen musste und irgendein Messgerät notwendig wäre usw. Auf jeden Fall wäre das alles in der Tasche und er war froh, dass ich ihm das gebracht habe.

Leider vergaß er in seiner Freude, mir für die Fahrt nach Schöneberg ein paar Euro zu zahlen. Aber was macht man nicht alles, um seine Fahrgäste zufriedenzustellen. Außerdem gab es dafür bestimmt wieder einen Punkt auf meinem Karma-Konto. Wer weiß, wozu es gut ist.

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