Nachts am Heli

Es kommt vor, dass man nachts geweckt wird, weil ein Hubschrauber direkt über dem Haus entlang fliegt. Meistens sind das Notarzt-Helikopter, die zu einem der Berliner Krankenhäuser mit Hubschrauberlandeplatz fliegen. So war es auch gestern früh gegen 0.30 Uhr.
Mein Mitbewohner Micha ist ein Helispotter: Zusammen mit einigen Gleichgesinnten jagt er den Hubschraubern hinterher, um sie zu fotografieren, wenn sie am Krankenhaus landen oder starten. Er lässt dann alles stehen und liegen und rast mit seiner Kamera zum Virchow- oder Bundeswehr-Krankenhaus (BWK). Dort versucht er möglichst nah ranzukommen, um gute Aufnahmen zu machen. Manch ein Pilot kennt ihn bereits, vor kurzem hat einer beim Start zum Gruß mit dem Hinterteil des Helis gewackelt. Das hat meinen Mitbewohner natürlich stolz gemacht.

Ich interessiere mich dafür nicht, aber als er mich gestern Nacht mit seinen treuen Augen anblickte und darum bettelte, ihn zum BWK zu fahren, ließ ich mich erweichen. Der Landeplatz befindet sich zwischen der Scharnhorststraße und dem Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal, genau auf dem alten Grenzstreifen von Mitte nach Moabit. Dass er rund 200 Meter von der Rettungsstelle entfernt liegt, dazwischen auch noch die Straße, ist sicher unpraktisch. Es muss immer ein Rettungswagen kommen, dann muss der Patient umgeladen werden und wird die kurze Strecke zum Krankenhaus gefahren.

Als wir nach einigen Minuten ankamen, sahen wir erstmal nichts. Der Landeplatz ist an allen Seiten von breiten und mehreren Meter hohen Büschen umgeben. Nach einigem Suchen fanden wir den Anfahrtsweg, an einer verschlossenen Schranke vorbei, über einen Parkplatz, zweimal rechts an einer Baustelle vorbei, dann wieder links. Und plötzlich sahen wir den Hubschrauber vor uns: Rot und weiß stand er da, der Rotor war längst aus. Der Landeplatz wurde von vier Scheinwerfern angestrahlt, damit man beim Landen das große H anvisieren kann. Kein Pilot oder Arzt war mehr dort, dafür aber eine Soldatin der Bundeswehr. Sie bewachte die zweite Schranke, die den Landeplatz versperrte.
Erst sahen wir sie nicht, hörten nur wie sie rief: „Was machen Sie hier?“ Mein Mitbewohner und ich gingen freundlich auf sie zu und erklärten ihr, was wir wollten. Sie war anscheinend ganz froh, bei der Kälte nicht allein rumstehen zu müssen. Wir erfuhren, dass der Patient gar nicht ins Bundeswehr-Krankenhaus gebracht wurde, sondern weiter in die Charité, die aber keinen eigenen Landeplatz hat. Das bedeutete, es würde noch etwas länger dauern.
Der Hubschrauber war gerade aus Würzburg gekommen und während der Patient in die Charité gebracht wurde, haben die Piloten im BWK eine Pause eingelegt.

Wir mussten insgesamt eine Stunde warten. Währenddessen zeigte mein Mitwohni uns eine App, auf der alle Rettungshubschrauber zu sehen sind, die gerade einen Einsatz haben. Dort sahen wir, dass einer der Berliner Hubschrauber gerade in Cottbus war, um dort einen Patienten abzuholen. Der sollte dann ebenfalls hier hergebracht werden. Wir verfolgten auf der App eine halbe Stunde später auch seinen Start Richtung Berlin.
In der Zwischenzeit kam der Feuerwehr-Rettungswagen zurück und brachte die beiden Notärzte zum Hubschrauber. Auch die Piloten kamen angerannt. Zusammen holen sie die spezielle Trage aus dem Fahrzeug, schoben sie in den Helikopter und alle vier stiegen ein.

Wir waren sehr nah dran, direkt neben Landeplatz. Als die Piloten den Rotor anwarfen, spürten wir den Wind, den sie fabrizierten. Die Rotoren liefen immer schneller, es wurde sehr laut und der Wind immer stärker. Als der Hubschrauber abhob, drückte mich der Sturm zur Seite. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, musste mich nach hinten abstützen, um nicht umzufallen. Trotzdem hielt ich brav meine Kamera auf die startende Maschine, damit mein Mitwohni seine Aufnahme bekommt.

Als der Hubschrauber im Himmel verschwunden war, rückte auch der Rettungswagen ab – um nur fünf Minuten später wiederzukommen. Diesmal sollten sie den Patienten aufnehmen, der aus Cottbus kam. Die beiden Feuerwehrleute stiegen aus und wir kamen ins Gespräch. Als sie erfuhren, dass mein Mitwohni Ehrenamtlicher Mitarbeiter bei einer Hilfsorganisation ist, wurden sie etwas mürrisch. Sie argumentierten, dass die Ehrenamtler dem Senat als Ausrede dienen, immer mehr Stellen bei der Feuerwehr abzubauen. Auch erzählten sie einiges aus dem Innenleben der Feuerwehr, dass viele Wachen so marode sind, dass sie eigentlich geschlossen werden müssten, dass sie mit Rettungswagen unterwegs sind, die schon 200.000 Kilometer hinter sich haben, usw. Die Bezahlung wäre auch total schlecht, und das bei 24-Stunden-Schichten. Es hörte sich alles sehr frustriert an.

Plötzlich aber hörten wir den Hubschrauber, der aus Cottbus kam. Sekunden später erschien über uns sein heller Scheinwerfer, der den Landeplatz ausleuchtete. Der Lärm wurde wieder unerträglich und je tiefer die Maschine sank, umso stärker war wieder der Wind. Unmittelbar vor der Landung mussten wir uns wieder bemühen, nicht umzufallen, so stark war er.
Als der Rotor stehen blieb, hob sich die Schranke und der Rettungswagen fuhr zur Maschine, um den Patienten abzuholen. Wir verabschiedeten uns von der Soldatin und der Feuerwehrleuten und fuhren durchgefroren nach Hause.

print

3 Kommentare

  1. Wenn dein Freund so ein Hubschrauber Begeisterter ist, wie wäre es mit einem Hubschrauber Rundflug. Ich bin selber noch nie geflogen, habe aber auch jemanden den ich kenne, der begeisterter Fan ist. Daher möchte ich ihm evtl. einen Hubschrauber Rundflug schenken.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*