In den hohen Norden

Quelle: Google Maps

Es gibt rund 10.000 Straßen in Berlin und wohl niemand kennt sie alle. Ich schätze, dass ich etwa ein Viertel bis ein Drittel davon ohne Stadtplan oder Navi finde würde. Das ist sicher kein schlechter Schnitt, wenn ich manche meiner Taxikollegen so höre.

Schön ist es immer, wenn sich meine Taxi-Fahrgäste wundern, dass ich ausgerechnet ihre kleine Straße im Außenbezirk kenne. So war es auch gestern Nacht, als mein Kunde in den Kasinoweg nach Frohnau wollte. Eine schöne Fahrt von Charlottenburg aus, zumal er darauf bestand, den Umweg über die Autobahn zu fahren. Da ich aber vor langer Zeit schon mal einen Kunden dorthin hatte, habe ich mir den Namen gemerkt, zumal er schon sehr merkwürdig ist. Ein Kasino gibt es dort nämlich nicht.

Eine Stunde später fand ich mich am Hauptbahnhof wieder. Ein altes Ehepaar versuchte mir klarzumachen, dass sie mir ihren Straßennamen gar nicht erst nennen brauchen – ich würde die Straße eh nicht kennen. Sie läge in Frohnau und da würden sich die meisten Taxifahrer sowieso nicht auskennen. Es ist auch wirklich schwierig, denn es gibt so gut wie keine Straße, die einfach nur ordentlich geradeaus führen und normale Kreuzungen mit anständigen Querstraßen hätten. Stattdessen vor allem ein wildes Straßenknäuel und dazu gehört auch der Kasinoweg, zu dem meine Fahrgäste wollten. Die winzige Straße hat etwa 15 Häuser und es ist schon ein Zufall, dass ich aus verschiedenen Richtungen Kunden praktisch zum gleichen Ort hatte. Das Ehepaar wunderte sich auch und sie lobten meine Kenntnisse ausdauernd. Was sich aber leider nicht im Trinkgeld niederschlug.

Aber manchmal spielt das Leben eben verrückt und vermutlich werden mir nun wieder einige vorwerfen, ich würde übertreiben. Tatsächlich sollte ich in dieser Nacht aber ein drittes Mal in die Gegend kommen, diesmal aus dem Prenzlauer Berg und das Ziel in der Welfenallee lag nur rund 200 Meter Luftlinie vom Kasinoweg entfernt.

Die drei Fahrten in den Norden machten in dieser Schicht mehr als die Hälfte meiner Einnahmen aus, zumal der letzte Fahrgast morgens um 2.30 Uhr die 35 EUR mit einem 50er zahlte und dem Spruch: „Geben Sie mal 5 zurück.“ Dabei hat er während der ganzen Fahrt kein Wort gesprochen, außer dass er lieber Jazzradio hören würde statt Rock.

Auch wenn man sich am späten Abend oder nachts nicht mehr in Frohnau, Waidmannslust oder am Märkischen Viertel an die Taxihalte stellt, sondern erstmal eine recht weite Strecke in die Innenstadt fährt, lohnen sich Touren nach Frohnau doch sehr. Gleich dreimal in einer Schicht, das hebt die Stimmung dann schon. Und dann auch noch immer in die gleiche Gegend, das ist vielleicht ein Zeichen des Himmels.

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