Filmstadt Spandau

Spandau war einst eine Kino­stadt, mehr als 20 Lichtspielhäuser gab es hier im vorigen Jahrhundert. Weitgehend unbekannt ist aber auch die Vergangenheit als Standort von Filmproduktionen, dabei begannen diese schon vor 90 Jahren. Nachdem in Deutschland aufgrund der Verordnungen des Versailler Vertrags nach dem Ersten Weltkrieg keine Maschinen zur militärischen Nutzung mehr gebaut werden durften, gab es für die Zeppelinhallen in Staaken keine Verwendung mehr. Mit einem Stammkapital von 500 Millionen Reichsmark wurden dort die „Filmwerke Staaken“ gegründet. Die zur Verfügung stehende Fläche übertraf sämtliche Filmproduktionsflächen in Berlin (vor allem in Weißensee) zusammen um das Achtfache, sie war selbst größer als die amerikanischen Produktionsstandorte. Da der Zeppelinbau hohe Fertigungshallen erforderte, standen nun Säle mit bis zu 28 Metern Höhe zur Verfügung, in denen unabhängig von äußeren Wetterbedingungen gedreht werden konnte. Hier konnten selbst Monumentalfilme produziert werden. Mitte der Zwanziger Jahre entstanden hier etwa 200 Filme, was etwa ein Drittel der gesamten deutschen Filmproduktionen entsprach.

Als sich Ende der 20er Jahre der Tonfilm durchsetzte, gerieten die Staakener Studios in finanzielle Schwierigkeiten. Nur langsam konnten sie sich den veränderten Bedingungen anpassen und wieder rentabel arbeiten. Nachdem jedoch die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, die sich um die Bestimmungen des Versailler Vertrags nicht scherten, wurde die Filmproduktion 1934 beendet, zugunsten einer militärischen Nutzung der Hallen.
Stattdessen sollte zwischen Gatow und Kladow, nahe der Insel Lindwerder, eine sogenannte „Filmstadt“ entstehen. Die Pläne waren bereits von 1930 und sahen zahlreiche Gebäude vor, darunter zwölf Atelierhallen. Hier sollten Kinofilme in der Abgeschiedenheit und Ruhe eines Außenbezirks gedreht werden, als fast autarker Komplex mit Kopieranstalt und eigenem Heizkraftwerk. Die Pläne von Hans Poelzig, der bereits die Messehallen am Funkturm und das Haus des Rundfunks entworfen hatte, wurden jedoch aufgrund der Wirtschaftskrise nicht ausgeführt, obwohl bereits ein Grundstück gekauft worden war.
1942 begannen dann die Nazis in der Charlottenburger Chaussee mit einer eigenen Filmproduktion, der „Mars Film GmbH“. Sie hatte die Aufgabe, sämtliche Ausbildungsfilme für die Wehrmacht zu produzieren. Dies waren vor allem Trickfilme, in denen Geländekarten und Funktionsabläufe von Waffen erklärt wurden. Nach Kriegsende synchronisierte die Mars Film erst für die sowjetischen Besatzer, später für die Briten.

Einer der ersten, die nach der NS-Zeit wieder mit der Produktion von Spielfilmen begannen, war Artur Brauner. Neben und auf der Insel Eiswerder erwarb er ein verwildertes Gelände mit Fabrikgebäuden, in denen die Nazis Versuche mit Giftgas unternommen hatten. Hier richtete er seine Central-Cinema-Company ein, besser bekannt als CCC-Ateliers. Bis zu 400 Menschen arbeiteten auf dem 5000-Quadratmeter-Gelände, auf dem fast 250 Filme entstanden. Neben den eigentlichen Dreharbeiten wurden hier Requisiten gebaut und Kostüme gefertigt, auch die Nachbearbeitung (Schnitt) der Filme und ihre Vermarktung fanden hier statt.
In den Folgejahren vermietete Brauner seine Produktionshallen auch an andere Firmen, die Rialto-Film drehte die Innenaufnahmen der Karl-May-Filme, das ZDF nutze Studios für große Fernseh-Shows. Filmproduktionen vom „Henker von London“ über „Die Blechtrommel“ bis zu „Otto – Der Film“ sicherten den Studios lange Zeit volle Kassen.
Da die CCC-Studios oft überbelegt waren, mussten neue Produktionsstandorte her. Die entstanden u.a. Mitte der 50er Jahre an der Havelchaussee. Hier pachtete die UFA das Seeschloss Pichelsberg, das in den folgenden Jahren zahlreiche Kino- und Fernsehproduktionen hervorbrachte. In den 70er Jahren wurde es auch als Synchronisationsstudio genutzt, zusätzlich entstanden zahlreiche Werbefilme. Seit den Neunzigern werden im Filmstudio Havelchaussee Fernsehproduktionen wie das „Glücksrad“, aber auch Kinofilme, wie z.B. im Jahre 2005 „Engima“ gedreht.
Auch die CCC-Studios blieben noch voll im Geschäft: Fernsehserie wie „Wolffs Revier“, „Praxis Bülowbogen“ oder „Im Namen des Gesetzes“ entstanden hier. Gleich nebenan, auf der Insel Eiswerder, werden TV-Shows produziert.
Eine der erfolgsreichsten Fernsehserien, „Hinter Gittern“, wurde in einer ehemaligen Kaserne der britischen Streitkräfte an der Wilhelmstraße gedreht. Dafür wurde extra ein mehrstöckiges Gebäude als Gefängnis umgebaut, eine hohe Mauer mit einem Wachturm umgab  den „Gefängnishof“.

Spandau war jedoch nicht nur Produktionsort, sondern mit zeitweise 20 Lichtspielhäusern, auch Zentrum des Kinos-Konsums. In den legendären „Havel-Lichtspielen“, einem 1911 zum ersten „Kinematographentheater“ Spandau umgebauten Ballhaus, war ab 1969 nur noch ein Supermarkt zu finden – ein Schicksal, das auch zahlreiche andere Kinos teilten, wie das „Rex“, das „Tropfsteinkino“ oder das „Forum“.
In die Havel-Lichtspiele jedoch zog in den 90ern wieder ein Kino ein, heute heißt es Cineplex. Dagegen sind Namen wie Capitol, Tivoli, Odeon, Savoy oder Bio-Lichtspiele nur noch den älteren Spandauern bekannt, sie stehen heute leer oder wurden abgerissen.

Ein besonderes Kino war das „Autokino Berlin“ in der Motardstraße. Es wurde 1965 von den berühmten Schauspieler Hannelore Elsner und Georg Thomalla eröffnet und bot eine besondere Dienstleistung: Auf den über tausend Standplätzen gab es für die Besucher außer den Lautsprechern, die ins Auto gehängt wurden, die Möglichkeit, per Knopfdruck Mitarbeiter zu rufen, die Sandwiches und Getränke brachten.
Vielleicht sollten heutige Kinobetreiber überlegen, einen ähnlichen Service anzubieten.

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