Haus Vaterland

Haus Vaterland – das hat für viele Menschen einen nationalistischen Klang und letzlich ist dieses Haus auch als Folge des rassischen Nationalismus der Nazis zerstört worden.
Wer heute am Potsdamer Platz steht und Richtung Süden blickt, sieht an der Stresemannstraße auf ein größeres Bürogebäude, das eine markante, runde Fassade hat. Dies ist eine Reminiszenz an das Haus Vaterland, das genau an dieser Stelle stand und mit seinem 35 Meter hohen Kuppelbau eine ähnlich runde Fassade hatte. Doch anders als heute befand sich der Haupteingang nicht dort, sondern an der rechten Längsseite des Komplexes, zum damaligen Potsdamer Bahnhof hin.

Die Geschichte des Hauses begann im Jahre 1912. Nach einem Jahr Bauzeit entstand das „Haus Potsdam“ an der damaligen Königsgrätzer Straße, die später nach dem Saarland benannt wurde und heute nach Gustav Stresemann heißt. Hier an der Ecke zur Köthener Straße eröffnete im Februar 1912 ebenfalls ein Bürohaus, damals allerdings mit einem großen Café für 2500 Gäste. Außerdem gab es das Kino „Kammerlichtspiele“ mit 1200 Plätzen. Das Gebäude entstand für drei Millionen Reichsmark nach Entwürfen von Franz Schwechten, der z.B. auch den nahen Anhalter Bahnhof baute.

Das „Café Piccadilly“ war das größte Caféhaus Berlins, es stand in Konkurrenz mit zahlreichen anderen Restaurants und Caféhäusern, die in dieser Zeit in Berlin entstanden – immer größer, glitzernder, pompöser. Die Wände waren mit Marmor und Mosaiken verkleidet, auf den zwei Etagen gab es selbst noch mitten in der Nacht live Orchestermusik. Der Innenraum wurde von einem Saal bestimmt, in den die Besucher, auf Balkonen sitzend, herunterschauen konnten.
Der Zeit gemäß erhielt das Café mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs einen neuen Namen: „Kaffee Vaterland“, doch sonst änderte sich vorläufig nichts. In den Zwanziger Jahren kaufte die Filmgesellschaft Ufa den Komplex und brachte dort auch ihre Verwaltung unter. Allerdings musste sie es 1927 wieder verkaufen, da sie in finanzielle Bedrängnis gekommen war.

Zu dieser Zeit begann ein größerer Umbau des Gebäudes, der sich über ein Jahr hinzog. Nach der Neueröffnung am 31. August 1928 durch die Firma Kempinski gab es im Haus Vaterland viele zusätzliche gastronomische und kulturelle Einrichtungen. Eine davon war 1931 der Bierkeller „Zum Teltower Rübchen“, der sich großer Beliebtheit erfreute – vor allem bei den Bauern südlich von Berlin. Diese kamen nämlich aus dem Kreis Teltow mit der Vorortbahn nur wenige Meter entfernt am Potsdamer Bahnhof an. Um die großstädtische Berliner Luft zu schnuppern gingen sie über die Straße und verschwanden dann gleich wieder zum Vergnügen im Bierkeller. Durch die kurzen Wege gestaltete sich auch die Rückfahrt relativ einfach. Man sollte die Masse dieser Besucher jedoch nicht unterschätzen, sie ging am Wochenende in die Tausende!
In dieser Zeit bestand das Haus Vaterland aus zehn größeren gastronomischen und Veranstaltungseinrichtungen. Sehr beliebt waren das Türkische Café und die Wild-West-Bar, bekannt aber auch das Löwenbräu, die Bodega und der Palmensaal.
Der gesamte Komplex wurde bis 1937 von der Firma Kempinski betrieben, ab 1943 von der Aschinger AG, die die jüdische Firma Kempinski „arisierte“. Aschinger führte das Haus aber nur kurz unter dem alten Namen, danach als „Betrieb Borchardt“.

Wie schon der Erste Weltkrieg dem Haus keine nennenwerten Einbußen bescherte, so ging das Geschäft auch mit Beginn des Zweiten Krieges erstmal normal weiter. Bald gab es zwar Einschränkungen, man benötigte Lebensmittelkarten in den Restaurants und Cafés, aber daran gewöhnten sich die Gäste, wie auch an die tägliche Verdunkelung. Am 23. August und im November 1943 wurde das Gebäude jedoch von mehreren Fliegerbomben getroffen und schwer beschädigt. Bis Februar 1945 konnte nur noch das Café betrieben werden, dann brannte es ebenfalls aus. Erst im Sommer 1945 begann Aschinger im provisorisch eingerichteten Erdgeschoss wieder mit dem Restaurantbetrieb. Damals gehörte das Gelände noch zum Stadtbezirk Mitte und mit der Spaltung der Stadt zu Ost-Berlin. Wegen der unrühmlichen Rolle der Aschinger AG in der NS-Zeit wurde ihnen das Restaurant weggenommen und zur HO-Gaststätte umgewandelt. Während des Arbeiteraufstands am 17. Juni 1953 stürmten und zerstörten aufgebrachte Protestierer das Haus, es wurde danach nie wieder geöffnet.

Mit dem Mauerbau 1961 stand die Ruine mitten auf dem Grenzstreifen. 1971 vereinbarte der West-Berliner Senat mit dem Magistrat in Ost-Berlin einen Gebietsaustausch, und so kam das Gelände zwischen Stresemannstraße und Landwehrkanal sowie Köthener und Linkstraße 1972 nach West-Berlin und wurde dem Bezirk Tiergarten zugeschlagen. Damit stand das alte Haus Vaterland nun in West-Berlin, mitten auf einem riesigen Brachgelände, den Kopf zur Mauer geneigt. 1976 wurde es abgerissen.

Künstler und Techniker haben sich in gemeinsamer Arbeit gefunden, um in den Neubau des „Haus Vaterland“ am Potsdamer Platz eine Symphonie des Lebens zu schaffen, die die Nationen der Erde umfasst und völkerverbündend den in der Hauptstadt weilenden Gästen ein Heim der Freude und Unterhaltung öffnet. Jeder Gast soll im „Haus Vaterland“ zu Hause sein, da auf alle seine Wünsche und Ansprüche in weitgehendstem Maße Rücksicht genommen ist. Ausgedehmte, bequeme Kleiderablagen, Schreibzimmer, Warteräume, Zeitungskioske und zahlreiche Fahrstühle und Telefonzellen – alles dient der Bequemlichkeit des einkehrenden Gastes, dessen Wohlbefinden die Ehre des Hauses ist.
(1928)

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