Stasi-Angehörige in der Offensive

Bis vor einigen Jahren verstand man unter „Ewiggestrigen“ vor allem alte Nazis, die es nicht kapiert haben, dass ihre Zeit um ist. Doch 1989/90 gab es in einem Teil Deutschlands wieder eine grundlegende Änderung der Gesellschaftsordnung und wieder melden sich diejenigen zurück, die vorher von den Verhältnissen profitiert haben und an ihnen beteiligt waren. Auf oft unerträgliche Weise sind dies ehemalige Offiziere und anderen Mitarbeiter des sog. „Ministeriums für Staatssicherheit“ (MfS) – also jenen Apparats, der in der DDR für die Verfolgung von Andersdenkenden verantwortlich war und auch für den Tod von vielen Oppositionellen.

Diese einstigen Mitglieder des Repressionsapparates sind schon seit der Wende vor 16 Jahren in Vereinen organisiert, doch die ersten Jahre haben sie sich vor allem darum gekümmert, ihre Dienstzeit auf die Rente angerechnet zu bekommen. Nachdem diese Schlacht gegen den ehemaligen Klassenfeind gewonnen ist, treten die Alt-Stasis vermehrt offensiv politisch in Erscheinung. So wird der Anschlag gegen das „Antistalinistische Büro“ in der Rosenthaler Straße ehemaligen DDR-Agenten zugeschrieben. Doch ihr Schwerpunkt ist nun das Auftreten in der Öffentlichkeit, um Kritik an der Stasi etwas entgegenzusetzen.
Im vergangenen Herbst demonstrierten einige Dutzend von ihnen gegen die Eröffnung einer Kunstaktion, die daran erinnerte, dass es im späteren Rathaus Prenzlauer Berg einst ein Stasigefängnis gab, in dem Gefangene auch gefoltert wurden.
Am 14. März dieses Jahres dann störten gleich 200 ehemalige Stasi-Kader eine Veranstaltung der Senatskulturverwaltung. Im Saal der BVV Lichtenberg sollte über die Gestaltung der Umgebung des ehemaligen Stasi-Gefängnisses Hohenschönhausen diskutiert werden, in der sich heute eine Gedenkstätte befindet. Doch die Schergen, darunter zwei Stellvertreter des MfS-Chefs Erich Mielke, logen sich die Geschichte zurecht und verhöhnten ihre damaligen Opfer. Erschreckend und skandalös war die Tatsache, dass sowohl der anwesende Kultursenator Thomas Flierl, als auch die Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich, die Stasimänner gewähren ließen. Beide sind übrigens von der Linkspartei.PDS, die als ehemalige SED auch für einstige Stasileute noch immer eine politische Heimat ist.
Nach dem Eklat brüsteten sich die Ewiggestrigen mit ihrer Aktion und forderten die Schließung der Gedenkstätte: „Wir brauchen diese Gedenkstätte nicht. Ich werde mich als Lichtenberger Bürger mit allen Mitteln dagegen wehren. Wenn wir uns das Gruselkabinett von [Gedenkstättenleiter] Herrn Dr. Knabe anschauen, kann man ermessen, worauf das hinausläuft. Und deshalb mehrt sich bei uns der Protest.“
Am 20. April nun wurde die Veranstaltung wiederholt. Und wieder traten Ex-Stasileute lautstark auf, wieder schwieg die Bürgermeisterin Emmrich. Diesmal allerdings gab es aus den Reihen der Zuhörer sowie von einer SPD-Abgeordneten Proteste gegen die Provokationen.
Es muss für die Opfer der Staatssicherheit unerträglich sein, wenn sie sehen, dass ihre ehemaligen Peiniger heute öffentlich auftreten, in diversen Websites und Publikationen den Charakter des Repressionsministeriums verleugnen, sich in Vereinen organisieren und im ehemaligen Neuen-Deutschland-Haus in Friedrichshain Büros unterhalten dürfen. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden demokratische Bürger künftig auch Aktionen gegen das Auftreten der Stasimänner organisieren müssen, so wie heute schon gegen Demonstrationen von Nazis.

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