Mit dem Cabrio in den Untergrund

Das Leben in Berlin spielt sich zu einem großen Teil unter der Erde ab. Vor allem der Personennahverkehr wird seit 1902 auch unterirdisch abgewickelt, unabhängig vom Wetter und dem Autoverkehr. Etwa 150 Kilometer U- und S-Bahn-Linien schlängeln sich unter den Straßen hindurch, es ist nicht möglich, sie alle an einem einzigen Tag abzufahren.
Doch es gibt nicht nur die Bahntunnel, die die Berliner täglich durchfahren, sondern weitere Abschnitte, die entweder gar nicht in Betrieb sind oder nur für Betriebsfahrten genutzt werden. Einen Teil davon kann man besichtigen, wenn man sich an einer „Cabrio-Fahrt“ beteiligt.

Treffpunkt für diese kuriose Fahrt ist um Mitternacht im U-Bahnhof Alexanderplatz, U5. Drei lange, offene Wagen stehen schon bereits, dort sind Klappsitze draufgeschraubt, vorn und hinten an Zug befinden sich kleine E-Loks. Wenn alle 150 Teilnehmer eingestiegen sind, heißt es Helme aufsetzen, denn die Fahrt durch die alten Tunnel ist nicht ganz ungefährlich, es kann immer mal was von den bis zu 100 Jahre alten Tunneldecken herabfallen.

Schon die ersten Minuten sind interessant: Zuerst geht es ein Stück in den Tunnel der U5, allerdings nicht Richtung Osten, sondern zum Roten Rathaus. Hier unter den Rathausstraße befindet sich eine Zugabstellanlage und vielleicht irgendwann mal die Streckenerweiterung zum Hauptbahnhof.
Von dort fährt man in den „Waisentunnel“, der seinen Namen von der Straße hat, die darüber verläuft. Es ist einer der Tunnel, die einer geänderten Verkehrsplanung zum Opfer gefallen sind: Als er bereits fertiggestellt war, wurde entschieden, die Verbindung von Kreuzberg nach Mitte unter der Jannowitzbrücke und Alexanderstraße hindurch zu führen, statt unter der Waisenstraße. Wenigstens wird der Abschnitt noch für Betriebsfahrten genutzt – und zu Zeiten der DDR für die Flucht eines BVG-Angestellten und seiner Familie.

Während der gesamten Fahrt erzählt der Moderator etwas zur Geschichte des Abschnitts oder der U-Bahn allgemein. Und er weist auf Besonderheiten an der Strecke hier, wie hier auf die Fluttore, die im Falle eines Wassereinbruchs unter der Spree geschlossen werden können und damit ein Überfluten der Tunnel verhindern sollen.
Auf den Gleisen der U8 geht die Fahrt zur Osloer Straße. Da die Cabriofahrten immer am Wochenende stattfinden, wenn die U-Bahn-Linien auch Nachverkehr haben, warten auf allen Bahnhöfen Fahrgäste. Und diese lachen meist beim Anblick dieses merkwürdigen Gefährts mit 150 Gelbbehelmten.

Auf dem Bahnhof Osloer Straße schwenkt der Zug durch einen Verbindungstunnel zur U-Bahnlinie 9 Richtung Steglitz, aber schon kurz vor dem Bahnhof Leopoldplatz verlässt er die Strecke wieder und fährt in den Bahnhof Seestraße ein. Hier in der ehemaligen Endstation der U6 wird ein Zwischenstopp eingelegt. Danach gehts Richtung Süden weiter. Bei der Durchfahrt unter der ehemaligen innerstädtischen Grenze weist der Moderator auf den breiten weißen Streifen hin, der quer über die Tunnelseite und -decke verläuft und noch heute gut zu sehen ist. Nach der Durchquerung des Bahnhofs Mehringdamm wechselt der Zug auf die U7 in Richtung Rudow. Durch den beeindruckenden Bahnhof Hermannplatz kommt man langsam nach Britz-Süd. Bei gutem Wetter steht eine kurze Besichtigung des Betriebshofes auf dem Programm: Etliche Bahnschuppen, in denen die Züge gewartet werden, abgestellte Züge, auch Spezialwaggons sind zu sehen.
Danach gehts wieder zurück Richtung Alexanderplatz, die meisten Fahrgäste sind mittlerweile müde. Noch einmal umfährt man einen Bahnhof, diesmal am Hermannplatz, auf einer Strecke, die sonst von Fahrgästen nicht benutzt werden kann. Zwischen dem Kottbusser Tor und dem Moritzplatz wird auf einen fertiggestellten, aber nie genutzten Tunnel hingewiesen, der unter der Dresdener Straße verläuft. Als er fertig war, spendete das Kaufhaus Wertheim am Moritzplatz 5 Mio. Mark und erreichte damit, dass die Linienführung geändert wurde und nun auch dort ein Bahnhof entstand. Über die U8 und wieder den Waisentunnel erreicht man nach 2 1/2 Stunden wieder den Alexanderplatz.

Die Fahrten im Cabriozug kosten 40 EUR und müssen möglichst früh bestellt und bezahlt werden. Sie finden an zehn Tagen von Juli bis Oktober statt. Da bereits jetzt die Hälfte ausgebucht ist, sollte man sich bei Interesse schnell anmelden! Anmeldung über Tel. 030 – 256 25 256.

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2 Kommentare

  1. Ja, das lohnt sich echt. Aber: Warm anziehen, man unterschätzt die Költe, aber bei 50 km/h im Freien hat man schnell ’ne Erkältung.

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