Bundesantisemit

Dass nicht alle Antisemiten mit Glatze und Bomberjacke oder mit Vollbart und Sprengstoffgürtel daherkommen, weiß man ja. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht, wo einem der Judenhass begegnet.

Ich fuhr mit dem Taxi nachts durch Mitte, als ich an der Dorotheenstraße gewunken wurde, direkt am Eingang des Jakob-Kaiser-Hauses. Hier haben Bundestagsabgeordnete ihre Büros und es ist nicht ungewöhnlich, dass auch am späten Abend Politiker oder ihre Angestellten heraus kommen.

Der Mann war eine graue Maus, gehetzt, dunkler Anzug, Aktenkoffer, das Übliche. „Kurzstrecke in die Kronenstraße“, solche Fahrten mag ich, keine Wartezeit, schnelle Nummer. Er hatte gute Laune, wir unterhielten uns einige Minuten. Als wir beim Thema Joachim Gauck ankamen, waren wir schon fast an der Ecke zur Markgrafenstraße. Er meinte, wenn die Juden das befehlen, müssten die deutschen Politiker springen, so wäre es auch bei der Auswahl von Gauck zum Bundespräsidenten gewesen. Ich war erstmal sprachlos, antwortete bloß mit „Blödsinn“. „Es ist tatsächlich so, die Juden bestimmen die Politik, sie halten die Fäden in der Hand!“

Ich hätte ihn jetzt gerne aus dem Taxi geworfen, leider waren wir aber schon am Fahrtziel. Er gab mir das Geld und meinte noch „Es ist wirklich so, denken Sie darüber nach!“ Ich war froh, dass er jetzt draußen war, mittlerweile war ich echt sauer.
Leider weiß ich nicht, welche Funktion dieser Mensch im Bundestag hat und wie er heißt. Eine Anzeige wegen Volksverhetzung würde ihm wahrscheinlich ganz gut tun – und ihn sicher in seinem Wahn von der jüdischen Weltverschwörung bestätigen.

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5 Kommentare

  1. bei allem respekt, dieser beitrag ist lächerlich..also wenn ich auch der meinung bin, das viele entscheidungen unter anderem von hochrangigen jüdischen leuten aus politik, bankwesen usw. beeinflusst werden, bin ich ein antisemit ? das ist doch wirklich lächerlich..außerdem ist es schade, das man jeden als verrückt bezeichnet, der eine andere weltanschauung hat anstatt seinen geist zu öffnen für neues..unabhängig davon ob man es glaubt oder nicht, aber zuhören kann man ja erstmal..aber wir sind ja alle im „wahn“..

  2. @Aro
    Dürftest du den überhaupt rausschmeissen? Stichwort Beförderungspflicht, die gilt ja nun mal auch für derartige verbohrte Dummbolzen. Gefährlich ist, dass es immer mehr werden, die sich mit diesen billigen Parolen locken lassen. Ich befürchte da durchaus eine sehr schlimme Entwicklung.
    Hier ganz in der Nähe hat der rechte Mob gerade im Namen des Volkszorn und Elternbesorgnis einen 18 jährigen lynchen wollen, der mit 16 mal ein Kind missbraucht hat. Unglaubliche Szene, offiziell eine Elterndemo angemeldet, Steckbriefe an allen Laternen und dann auf einmal der Ruf alle vorwärts und die Masse stürmt das Wohnhaus.
    Bei meinem Besuch in Berlin letzte Woche standen am HBF Pappnasen, die unbedingt die DM zurück haben wollten. Als ich sagte, dass ich mich auf deren Niveau nicht herablassen mag, wurde mir vorgeworfen ich sei ein Menschenfeind.
    @dan b.
    was für ein Glück, dass wir in unserem Staat die Meinungsfreiheit haben. In Systemen die dem geschilderten Fahrgast und vielleicht auch dir vorschweben, wärest du jetzt ein Staatsfeind und würdest verfolgt!
    Und ja, wenn jemand A sagt, in diesem Fall vom Machtmissbrauch des „Weltjudentum“ redet, dann folgt daraus unmittelbar B, nämlich dass dies purer Antisemitismus und Rassimus ist. Wer das dann wie du versucht schön zu reden, darf sich nicht wundern, wenn er dann in die gleiche Schublade gesteckt wird.

  3. @ dan b.
    sollten sie tatsächlich der überzeugung sein, dass und wie diese menschen politische oder andere relevante entscheidungen beeinflussen maßgeblich von ihrer zugehörigkeit zu einer jüdischen gemeinschaft beeinflußt, oder würden sie weiterhin gar vermuten dass diese menschen vornehmlich partikulare interessen dieser gemeinschaft in ihren entscheidungen vertreten, dann wären sie ein ernstzunehmender antisemit und auch als solcher zu behandeln.
    woody allen ließ dazu seinerzeit sagen: „ich bevorzuge den baseballschläger“

  4. @ dan b.
    Es ist übliche Praxis von Antisemiten, ihre Meinung zu verschleiern und zu verharmlosen. Die „Weltanschauung“ von der Sie schreiben ist jedoch nicht nur eine Meinung, sondern hat gerade in Deutschland aufgrund unserer Geschichte einen grausamen Hintergrund (ja, ja, ich weiß, die „Faschismuskeule“…). Wer das ignoriert ist entweder dumm oder ein Antisemit. Das hat nichts damit zu tun, jemanden als verrückt zu bezeichnen, der eine andere Meinung hat. Antisemitismus hat in Europa sehr viel mit Faschismus zu tun und dieses zu verharmlosen oder gar zu propagieren, ist nicht akzeptabel.

    @ Fastdäne
    Klar gibt’s eine Beförderungspflicht, allerdings u.a. mit der Ausnahme, wenn man selbst oder der Fahrgast gefährdet wird, aus welchem Grund auch immer…

  5. @Aro
    Das ist keine Frage von entweder/oder. Antisemitismus ist von Hause aus dumm.

    Und @dan b, wer immer noch nicht verstanden hat wie deutsche Faschismus von 33 bis 45 entstanden ist, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Ich würde mich zwar nicht dem oben erwähnten Vorschlag von Woody Allen anschließen, aber dagegen gibt es Gesetze.

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