Liberale?

Die FDP nennt sich auch die „Liberalen“. Sie sind bei Kommentar- und Blog-Autoren beliebt, weil sie meist leichtes Futter bieten. Leute wie Guido Westerwelle eignen sich ja hervorragend, um sich über sie lustig zu machen. Und selbst jetzt, nachdem sein Guidomobil schon lange verschrottet ist, nimmt ihm kaum jemand den seriosen Staatsmann ab. Das hat er sich damals selbst versaut.
Derzeit ist es der FDP-Minister Dirk Niebel, der als Teppichluder am Nasenring durch die Manage gezogen wird. Und dann ist da noch der Dauerbrenner Rainer Brüderle, sicher nicht zu Unrecht als weinseliges Alkoholopfer verspottet. Dagegen waren die „Genschman“-Karikaturen in den 80er Jahren fast liebevoll.

Doch die FDP hat nicht nur ihre lustigen Seiten, im Gegenteil: Es ist erstaunlich, wie viele problematische Personen und Aktionen die im Grunde kleine Partei gebiert. Erinnert sei an Jürgen W. Möllemann, der sich durch antisemitische Sprüche und Flugblätter mit den Jüdischen Gemeinden in Deutschland angelegt hat. Dafür hat er sich viele Freunde bei den Rechtsextremisten gemacht.
Wenn der FDP-Außenminister Westerwelle heute in Yad Vashem den guten Demokraten und Judenfreund gibt, stellt sich doch die Frage, warum er damals als Möllemann-Intimus nicht konsequent gegen dessen Ausfälle eingetreten ist.

Das ist kein Schnee von gestern, auch heute tun sich die „Liberalen“ mit diktatorischen Bestrebungen nicht wirklich schwer. Erst vergangenes Wochenende reiste ihr Entwicklungsminister Niebel nach Paraguay in Südamerika. Hier war gerade der Präsident des Landes, Fernando Lugo, vom weit rechts stehenden Senat gestürzt worden. Lugo war als linker Präsident von der Bevölkerung frei gewählt worden, was den Senat nicht daran hinderte, gegen ihn zu putschen. Dass sogar der südamerikanische Staatenbund Unasur den Sturz des verfassungsmäßigen Präsidenten verurteilte und sie eine Bedrohung der demokratischen Ordnung nannte, war Dirk Niebel egal. Er legitimierte den neuen, willkürlich eingesetzten Präsidenten Federico Franco, indem er ihm öffentlichkeitswirksam die Hand schüttelte und behauptete, der Amtswechsel in Paraguay sei verfassungsmäßig abgelaufen. Das sehen die meisten umliegenden Staaten anders und luden Franco vom südamerikanischen Mercosur-Präsidentengipfel aus. Argentinien, Brasilien, Kuba, Uruguay und weitere Länder schlossen ihre Botschaften in Asunción und gaben bekannt, dass sie den neuen Präsidenten nicht anerkennen. Aber der Deutsche Niebel weiß es besser.
Selten war ein deutscher Spitzenpolitiker so schnell zur Stelle, um einen Putsch abzusegnen. Selbst als der CSU-Politiker Franz-Josef Strauß den chilenischen Diktator Pinochet besuchte, ließ er vorher eine Schamfrist verstreichen.
Nicht so die FDP: Schon vor drei Jahren hatte sie einen ähnlichen Staatsstreich im mittelamerikanischen Honduras gutgeheißen, wohl als einzige im weltweiten demokratischen Parteienspektrum. Während der Militärputsch gegen den fortschrittlichen Präsidenten Manuel Zelaya selbst von den USA und der Europäischen Union verurteilt wurde, verteidigten ihn der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzender Werner Hoyer und weitere Parteikollegen.

Mit Liberalität hat das alles nicht viel zu tun: Liberal heißt freiheitlich. Wikipedia nennt das die „Möglichkeit, ohne Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten auswählen und entscheiden zu können.“ Und doch ist es auffällig, dass es gerade diese „freiheitlichen“ Parteien sind, die anscheinend mit Putschisten und Rechtsextremisten sympathisieren. In Österreich und den Niederlanden nennt man die zeitweise sehr erfolgreichen Liberalen „Rechtspopulisten“, aber sie sind nur eine moderne Form der Rassisten und Rechtsextremisten. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

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6 Kommentare

  1. „Meistens sind die Führer keine Denker, sondern Männer der Tat. Sie haben wenig Scharfblick und könnten auch nicht anders sein, da der Scharfblick im allgemeinen zu Zweifel und Untätigkeit führt. Man findet sie namentlich unter den Nervösen, Reizbaren, Halbverrückten, die sich an der Grenze des Irrsinns befinden.“

    Gustave Le Bon (Psychologie der Massen)

    Das Problem der „Spitzenpolitiker“ ist nicht, dass sie nichts wissen (das lässt sich nachholen), sondern dass sie sich einbilden, sie wüssten schon was: http://www.deweles.de/intro.html

  2. In den meisten Fällen dürfte das kein bewusster Rechtsextremismus sein, sondern einfach Opportunismus und manchmal sicher auch Naivität bzw. Dummheit. Aber die Grenzen zwischen diesen genannten Geisteshaltungen sind fliessend.

    Aber ein guter Bericht, für den man wahrscheinlich die taz gelesen haben muss.

  3. Da sieht man sehr schön wie im Block abgestimmt wird. Selbst die Direktkandidaten halten Parteidisziplin. Wozu brauchen wir diese dann eigentlich noch?

    Und die Liberalen…die waren früher mal liberal, als FJS (unser aller leuchtendes Vorbild) sie noch in einem Atemzug mit der SPD beschimpfte ;-)
    Heute spielen sie nur noch die Cracknutte des Großkapitals.

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