Moses – böser Jude und Mann

Moses Mendelssohn war ein Glücksfall für Berlin. 1743 kam er als 14-Jähriger aus Dessau zu Fuß an der Stadtmauer an, auf der Suche nach seinem Rabbi David Fränkel, der nach Berlin gezogen war. Doch am Halleschen Tor wollte man Moses nicht einlassen, Juden durften die Stadt nur durch das Rosenthaler Tor betreten. Und wer hier nicht wohnte, hatte solange im „Judenhaus“ zu warten, bis jemand für ihn bürgte.
Später wurde Mendelssohn einer der wichtigsten deutschen Philosophen, er beeinflusste den Preußischen König Friedrich II. in dessen Meinung, dass „jeder soll nach seiner Façon selig werden“ sollte, auch wenn sich der Alte Fritz selber nicht daran hielt. Vor allem aber war Mendelssohn der wohl wichtigste Protagonist für die deutsch-jüdische Aufklärung.

Anscheinend tun sich die Berliner Regierenden noch immer schwer mit ihm. Anders ist nicht zu verstehen, dass bisher keine einzige Straße nach ihm benannt wurde.  Weder die Konservativen, noch die SPD oder die Kommunisten in Ost-Berlin hatten offenbar Interesse daran, an diesen so wichtigen Aufklärer zu erinnern. Und auch nicht die Grünen, die in Kreuzberg seit 1996 regieren und dort jetzt die Gelegenheit gehabt hätten. Sie dominieren die Bezirksverordneten-Versammlung (BVV), das Parlament von Friedrichshain-Kreuzberg, das zwar wenig zu sagen hat, aber wenigstens für die Straßenbenennungen zuständig ist.

Der neue Platz vor dem Jüdischen Museum in der Lindenstraße hätte nun nach Moses Mendelssohn benannt werden können, darum bat das Museum ausdrücklich und überreichte gleichzeitig 2.000 Unterschriften zur Unterstützung des Vorschlags. Aber die BVV lehnte ab. Ihre Begründung: Moses Mendelssohn hatte das falsche Geschlecht. Denn die Versammlung hatte beschlossen, dass bei Straßenbenennungen solange nur noch Frauennamen berücksichtigt werden sollten, bis ein Gleichgewicht hergestellt sei. Man kann darüber verschiedener Meinung sein, inwieweit das einer Diskriminierung von Frauen entgegenwirkt – Tatsache ist aber, dass die Grünen sich gerne locker über diesen Beschluss hinwegsetzten, als es um die eigene Klientel ging. Denn weder Rudi Dutschke noch Silvio Meyer waren Frauen. Dafür aber standen sie den Grünen nahe und wurden in Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Straßennamen geehrt. Diese Doppelmoral ist unerträglich.
Nun legten die Grünen eine Liste zur Abstimmung vor, von der zuerst mal der Name Moses Mendelssohn abgelehnt wurde. Nachdem es erste, sogar öffentliche Proteste gab, wurde beschlossen, den Ort künftig „Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz“ zu nennen, damit auch ja ein Frauenname mit auf dem Schild steht. Wer aber kennt Fromet Mendelssohn, außer in ihrer Eigenschaft als Ehefrau von Moses sowie Großmutter von Fanny und Felix Mendelssohn-Bartholdy?

Moses Mendelssohn wurde schon zu Lebzeiten aufgrund seines Glaubens diskriminiert. 200 Jahre später wegen seiner „Rasse“. Und heute aufgrund seines Geschlechts. Und die ideologisch verbohrten Kreuzberger Parteiabgeordneten halten ihren Beschluss offenbar noch für fortschrittlich. Aber das ist man von ihrem  Spitzenkandidaten ja noch viel Schlimmeres gewohnt…

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