Volksentscheid zum Tempelhofer Feld

Die großen Zeiten Tempelhofs sind ja schon lange vorbei. Die Templer verschwunden, die Amis ebenfalls, und selbst Klaus Wowereit wohnt längst in Wilmersdorf. Nur eine riesige Fläche aus Beton und Wildwuchs, die sogar aus dem Weltall zu sehen ist (vorausgesetzt, man hat ein starkes Fernglas dabei), bestimmt das Leben Tempelhofs. Und selbst die liegt teilweise noch in Neukölln.
Jetzt aber soll alles anders werden: Der Berliner Senat, vor allem in Person des Stadtverwicklungssenators Müller, möchte das Gelände bebauen, und zwar mit Wohnungen und Gewerbe. Weil das aber bei den Berlinern gar nicht so gut ankommt, die den Ex-Flughafen längst als größtes Freizeitareal der Stadt übernommen haben, wird mal wieder tief in die Märchenkiste gegriffen – man könnte auch sagen: gelogen.
Ursprünglich war ja nur die Rede davon, dass die Ränder bebaut werden sollen. Diese wurden aber komischerweise immer breiter. War anfangs noch von rund fünf Prozent der Fläche die Rede, sieht man auf dem letztens veröffentlichten Plan etwa 20 % bebaute Fläche. Wundersame Vermehrung.
Gleichzeitig wird so getan, als ob gerade dort unbedingt Wohnungen gebaut werden müssten, weil ja sonst in Berlin kein Platz ist. Auch das ist gelogen, es gibt allein im Innenstadtbereich noch Dutzende Hektar unbebaute Grundstücke.
Anfangs mahnte die Linkspartei an, dass – wenn schon auf dem Tempelhofer Feld gebaut würde – auf jeden Fall sozialverträgliche Wohnungen errichtet werden müssten. „Na klar doch“, schallte es aus dem Senat. Aber nur wenige Monate später ist davon keine Rede mehr. Was die SPD unter sozialverträglich versteht, hat mit für alle bezahlbarem Wohnraum nicht viel zu tun. Der Senator weigert sich, eine niedrige Höchstmiete vertraglich festzulegen, dafür spricht er mittlerweile von „teilweise“ sozialverträglichen Mieten. Alles klar?
In Wirklichkeit sollen nur 18 % der geplanten Wohnungen eine gedeckelte Nettokaltmiete von 6 bis 8 EUR/qm erhalten, und dies auch nur auf kurze Zeit begrenzt. Dies sind keine preiswerten Sozialwohnungen. Die übrigen 3.850 von den insgesamt 4.700 Wohnungen werden Luxuswohnungen werden. Aber Wohnraum für die Oberschicht wird in Berlin wahrlich schon mehr als genug neu gebaut! Statt immer neuer Townhouses braucht die Stadt Wohnungen, die auch von ärmeren Menschen bezahlt werden können.
Der Senat spricht auch von einer Notwendigkeit der Bebauung für Gewerbebetriebe. Doch in Berlin gibt es 972 Hektar bereits erschlossene innerstädtische Baulandreserven, auf denen man erheblich billiger bauen könnte. Diese Baufelder sind 13 mal so groß wie die geplanten Bauflächen auf dem Tempelhofer Feld.
Und auch, dass unbedingt eine neue Zentrale Landesbibliothek auf dem Feld errichtet werden muss, ist Unfug. Es gibt dafür mindestens vier Alternativen: Das ICC, die ebenfalls zum Großteil leer stehenden Flughafengebäude am Tempelhofer Damm, da eben erst freigemachte Gelände gegenüber der jetzigen ZLB in der Breiten Straße in Mitte und notfalls das frisch sanierte, ehemalige DDR-Innenministerium. Aber der Regierende Wowereit will sich mit dem Bibliotheksneubau offenbar ein Denkmal setzen, nachdem das mit dem neuen Flughafen BER nicht so richtig geklappt hat.
Die Erschließungskosten für die Bebauung von neuen Wohnvierteln und Gewerbe sind bereits heute mit 400 Mio. Euro angesetzt. Selbst wenn diese auf wundersame Weise nicht erheblich steigen würden, zeigt allein dieser Betrag schon, dass es sich nicht um kluge und seriöse Planung handelt.
Würde der Senat nicht nicht ständig den Eindruck erwecken, zu täuschen und zu tricksen, könnte man sich ja mit seinen Argumenten in Bezug auf die Planung offen auseinandersetzen. Doch wenn der Volksentscheid nicht für die Beibehaltung des jetzigen Zustands ausfällt, werden sich Wowereit und sein Müller kaum noch um das scheren, was sie vorher behauptet haben. Allein deshalb schon ist es nötig, sich am Sonntag gegen die Senatspläne auszusprechen.

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4 Kommentare

  1. Günstige Mieten kann es nur geben, wenn die Baukosten subventioniert werden. Wohnungsbauförderung heißt aber i.d.R. es gibt vergünstigte Kredite für den Bauherren.
    Beim derzeitigen Zinsniveau ist das für Investoren aber scheinbar uninteressant. Da bauen die doch lieber freifinanziert, anstatt sich anschließend jahrelang über Auflagen und Belegrechte zu ärgern.
    Ob es besser aussehen würde, wenn die öffentliche Hand wieder kommunalen Wohnungsbau betriebe, wage ich zu bezweifeln. Auch da wird der Kämmerer immer begehrlicher eine Gewinnabführung an den kommunalen Haushalt erwarten.
    ich bin ja „Genossenschaftsfan“ Da kann der Senat sicher bei Grundstücksverkäufen ein wenig lenken, dass solche Investoren zu vernünftigen Preisen an Grundstücke kommen. Aber, auch Genossenschaften müssen wirtschaften, bei uns sind es derzeit 4% Dividende, da haben andere Investoren oft ganz andere Erwartungen.

  2. @mime
    genau darüber diskutierte ich tagelang mit meinem Lieblingskollegen.
    Seine Ansicht: Bebauung ja, wenn es auf genossenschaftlicher oder Baugruppen Ebene passieren würde und tatsächlich preiswerter Wohnraum dabei herauskäme. Aber soo nicht. Also nein zum Senat.
    Auch die „Besitzstandswahrer“ der Inititiative findet er doof. Auch nein.
    Seiner Argumentation konnte ich nur teilweide folgen, da für mich eine Senatsentscheidung für billigen Wohnraum eine Utopie ist.

  3. Ja, Zustimmung. Doof nur, wenn jetzt stattdessen Kleingärten dafür plattgemacht werden sollten (auch wenn man manche Vertreter dieser Spezies nicht unbedingt lieben muss). Eine Politikeräusserung nach dem gestrigen Ergebnis liesse sich in diese Richtung interpretieren.

    Da fällt mir ein: weiss jemand was über das Schicksal der Kolonie am alten Exer (Siemensstadt/Siemensbahn)? Vor 2 Jahren kam ich dort vorbei und sie war gerade in Auflösung begriffen.

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