Schlechte Laune

Ich hatte gerade meine Schicht begonnen, ausnahmsweise mal gut gelaunt. Der Herr Abgeordnete dagegen hatte schon schlechte Laune, als er sich in mein Taxi setzte. Auf mein „Guten Abend“ raunzte er: „Ach halt doch die Fresse!“
Auch wenn ich schon viel erlebt habe, eine solche Begrüßung erschreckt mich dann doch. Aber im nächsten Moment sah ich, dass er bei seinem Handy das Gespräch beendete und tief durchatmete. Als er mein wohl ziemlich entgeistertes Gesicht sah, klärte er die Situation: „Das war doch nicht an Sie gerichtet. Aber meine Noch-Frau die ist einfach widerlich. Das war sie schon immer.“
Die Frage, wieso er sie dann überhaupt geheiratet hätte, ersparte ich mir. Doch seine Klagen gingen weiter. Über die scheiß Bahn mit ihren ewigen Verspätungen. Über unfähige Mitarbeiter, denen man alles vorkauen müsse. Über seine missratenen Kinder, die total undankbar seien und immer nur haben, haben, haben wollten. Die ganze Zeit über sagte ich nichts, hörte es mir nur mit einer Mischung aus Gleichmut und Amüsiertheit an.
Offenbar war ich ein bisschen zu amüsiert, denn ohne Nachzudenken warf ich ein: „Und dann noch die unfähigen Taxifahrer, die immer Umwege fahren.“ Der Grund dafür war wieder mal eine Straßensperrung wegen einer Baustelle.
Automatisch stimmte er mir zu, aber dann wurde ihm klar, dass er ja gerade mit einem Taxifahrer sprach. „Damit meinte ich aber nicht Sie! Sie können ja nichts für die vielen Baustellen. Sie fahren ja ganz prima. Wirklich, Sie meinte ich damit nicht!“ Dabei hatte ich doch doch den Spruch gemacht, nicht er :-)  Nach meinem „Kein Problem“ fing er nochmal an zu versichern, dass ich ein ganz toller Taxifahrer wäre.
Seine schlechte Laune schlug um in Frustration, weil man ja doch nichts ändern könne, alles so sinnlos sei und so weiter. Nun sehe ich meine Aufgabe nicht darin, gefrusteten Politikern Mut zuzusprechen, selbst wenn sie in einer persönlichen Krise stecken. Zumal ich ihn und seine Situation gar nicht kenne. Deshalb fiel mir auf seine Frage „Und was meinen Sie?“ auch nichts besseres ein als ein Schulterzucken und ein „Tja“. Aber auch das war falsch.
„Klar, alles klar! Sie gehören wohl auch zu den Leuten, die nur über die Politiker meckern können, aber selber nicht zur Wahl gehen. Und denen ansonsten alles scheißegal ist!“
Wieso er seinen Frust nun auch noch ins Politische zog, verstand ich nicht. Aber mich deshalb persönlich anzugreifen, ist völlig inakzeptabel. Das sagte ich ihm auch in ruhigem Ton, aber er wurde wieder aufbrausend. Glücklicherweise waren wir nun am Ziel und er stieg aus. Mit ihm war leider auch meine gute Laune verschwunden.

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1 Kommentar

  1. Lieber Aro,
    vielen Dank für deinen Bericht. Ich finde dieser zeigt einmal mehr was für Talente doch in vielen alten Westberliner Taxifahrern schlummern. Die Schilderung dieser Situation ist so lebendig, dass ich sofort wieder wusste, warum ich vor vielen Jahren nicht mehr Taxi fahren wollte. Als Taxifahrer machen wir oft viel mehr, als nur von Ort zu Ort zu fahren. Wie oft sind wir Mülleimer, Tröster, Ratgeber, Therapeut, Arzt oder Themengeber für Journalisten. Und dass natürlich unentgeltlich. Ich hatte es so satt dafür schlecht bezahlt zu werden.

    Aber eines bleibt: Wenn jemand mit so einer schlechten Laune zu mir kommt ist diese oft so übermächig, das meine gute Laune dann auch oft verschwindet. Leider gibt es immer mehr schlecht gelaunte und gestresste Menschen in dieser Stadt…

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