Durchsteckschlüssel

Er ist eine Berliner Spezialität und selbst hier bei uns ist er kaum noch bekannt: Der Durchsteckschlüssel. Längst  wurde er fast überall von Schlüsseln modernerer Zylinderschlösser abgelöst und doch gibt es noch so einige Berliner, die ihn am Bund haben – sei es aus nostalgischen Gründen oder weil sie ihn tatsächlich noch für ihre Haustür brauchen.

Was ist überhaupt ein Durchsteckschlüssel?
Normalerweise haben Schlüssel an einem Ende einen sogenannten Bart und am anderen Ende der Griff, damit man  den Schlüssel im Schloss drehen kann. Der Durchsteckschlüssel jedoch hat die Besonderheit, dass es an beiden  Enden einen Bart gibt. Dies ist für die besondere Funktionsweise nötig. Er wird für spezielle Haustürschlösser  genutzt, die tagsüber offen zugänglich sind, nachts aber abgeschlossen sind. Das heißt, tagsüber wird kein  Schlüssel gebraucht, man öffnet die Tür einfach mit der Klinke, jeder kann das Haus betreten.

Abends aber, meist kurz vor der Tagesschau, kommt der Hausmeister mit einem ganz speziellen Schlüssel und  schließt die Tür ab. Ab jetzt muss man den Durchsteckschlüssel nutzen: Man steckt ihn ganz normal in das  Schloss und dreht ihn ein dreiviertel Mal um die eigene Achse –  das Schloss ist offen. Aber es ist nicht möglich,  den Schlüssel wieder heraus zu ziehen. Solange die Tür geöffnet ist, kann man ihn aber auch nicht mehr  zurückdrehen, man kriegt ihn nicht mehr heraus. Stattdessen schiebt man den Schlüssel in die Innenseite der  Tür, wo man ihn nach dem Schließen der Haustür wieder in die andere Richtung drehen und dann herausziehen  kann. So ist immer gesichert, dass die Haustür verriegelt ist, weil man ansonsten ja den eigenen Schlüssel  nicht mehr raus bekommt.

Durchsteckschlüssel
Diesem Wunderwerk der Technik liegt jedoch ein logisches Prinzip zugrunde: Schaut man sich nämlich den  Schlüssel nicht von der Seite sondern von vorn an, sieht man, dass er eine spezielle Form hat. Der Bart wird nach  unten breiter und hat an der Seite einen Schlitz. Diese Einkerbung ist es, die das Herausziehen des Schlüssels nach  hinten verhindert, wenn er erstmal herumgedreht wurde.

Eine zusätzliche Mechanik verhindert den Schließvorgang bei geöffneter Tür. Nachdem wir als Kinder dieses Prinzip  begriffen hatten, konnten wir bald diese Funktion überlisten: Wenn man nämlich während des Aufschließens  die Tür ruckartig öffnet, wird die Türmechanik ausgehebelt und man kann den Schlüssel trotzdem wieder nach hinten  raus ziehen. Von diesem Moment an war die Tür mit diesen Schlüssel auch nicht mehr abschließbar.

Früher gab es ja noch im Gebäude wohnende Hausmeister, die u.a. für das Abschließen der Türen zuständig  waren. Deren Schlüsselbart wurde nach unten nicht breiter. Damit konnten sie das Schloss von beiden Seiten auf-  oder zuschließen.
Ein Problem war das Anhängen der Durchsteckschlüssel am Schlüsselbund. Es gab ja keinen Griff, mit  dem man ihn am Schlüsselring befestigen könnte. Stattdessen bekam man beim Kauf eines solchen speziellen  Schlüssels eine kleine Halterung, die man am Ring anbringen konnte. In diese Halterung ließ man den  Durchsteckschlüssel einrasten.
Das Prinzip des Durchsteckschlüssel ist einfach genial. Selbst heute gibt es in Berlin noch einen Anbieter dafür.

Foto: Clemensfranz, CC BY 2.5

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2 Kommentare

  1. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt bin ich mir sicher, es war bei meinem zweiten Besuch in Berlin (West) 1979 in einer Etagenpension in der Meinekestrasse, dass ich diese Technik erst- und letztmalig kennenlernte.

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