Senat zensiert Olympia-Satire

Berlin und die Olympiade – das passt einfach nicht. Bei den Olympischen Spielen 1936 sollte die „Überlegenheit der nordischen Herrenrasse“ dokumentiert werden. Blöd nur, das ausgerechnet der schwarze US-Bürger Jesse Owens die meisten Medaillen gewann. Schlimmer noch: Er avancierte zum Star der Zuschauer, und zwar auch der Deutschen. Dumm gelaufen für die Nazis.
Anfang der 1990er Jahre wollte Berlin dann die Olypmischen Spiele 2000 in unsere Stadt holen. Der Senat startete eine Initiative, die von einer Gegenbewegung regelrecht überrollt wurde. Viele Bürger waren der Meinung, dass Berlin andere Sorgen hatte, als unbedingt die Olypmischen Spiele in die Stadt zu holen. Denn eines war (und ist bis heute) klar: Solche Spiele erfordern Milliarden Euro Investitionen. Zwar ist Berlin sexy, aber arm. Und solche Großveranstaltungen sind Luxus. Sicher kommt auch Geld in die Kasse, trotzdem ist es fast immer ein Zuschussgeschäft. 1993 kam dann vom Internationales Olympischen Komitee das Aus für Berlin: „And the winner is Sidney!“

Nun versucht es der Senat erneut. Und wieder stößt er auf eine Mauer der Ablehnung. Da nutzt es auch nichts, dass schon im Vorfeld der Fernsehturm und das Brandenburger Tor nachts aufwändig bunt (und vermutlich teuer) angestrahlt werden. Der gemeine Berliner lässt sich offenbar noch immer nicht dafür begeistern. Deshalb wurde Anfang Februar zum Volkslauf gerufen, vom Brandenburger Tor ging es zum Fernsehturm. Doch es war eine Pleite. Vielleicht 100 Teilnehmer joggten die Strecke entlang, es war nur eine Demonstration der Ablehnung und Gleichgültigkeit.

Wenn aber schon die Bevölkerung nicht mitzieht, geht der Senat wenigstens gegen die Olympia-Kritiker vor. Und dies mit harten und unfairen Bandagen. Das Friedrichshainer Blog Metronaut wurde vergangenen Montag abgemahnt und sollte eine Unterlassungsverfügung abgeben. Was war passiert?
Metronaut hatte eine fiktive Plakatserie vorgestellt, mit Abbildungen, die teilweise zu den Spielen 1936 genutzt wurden. Neben „deutschen Recken“ werden auch Wehrmachtssoldaten und Hitlerjungen gezeigt. Dazu das offizielle Logo des Senats „Wir wollen die Spiele“. Mit dem satirischen Artikel sollte auf den unkritischen Umgang des Senats mit dem historischen Erbe der 1936er Spiele hingewiesen werden. Deshalb die Überspitzung des Artikels und der Abbildungen. Es handelt sich ganz offensichtlich um Satire und für die ganz Begriffsstutzigen steht es unter dem Artikel auch nochmal: „Satire“.
Vorübergehend wurde nach der Abmahnung auf den Abbildungen das Logo mit „Zensiert“ unkenntlich gemacht. Mittlerweile hat sich die Redaktion aber entschlossen, sie doch wieder in der ursprünglichen Version zu zeigen und es auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen.

Der Senat sieht sich offenbar wie schon vor 22 Jahren nicht in der Lage, inhaltlich auf die Kritik zu reagieren. Schon damals wurde stattdessen die Repressionskeule herausgeholt und die Gegner mit Strafanzeigen und Prozessen überzogen. Dadurch erhielt die Senatskampagne den Anschein der Hässlichkeit, da war nichts mehr von Freude oder Fröhlichkeit. Genauso wenig souverän geht er auch heute wieder vor. Wer aber Satire verfolgt, zeichnet von sich selbst ein Bild eines Miesepeters, den keiner mag. Damit stellt sich der Senat selbst ein Bein, denn eine optimistische und positive Kampagne bekommt so schon ganz am Anfang einen üblen Beigeschmack.

„Die Deutschen haben 1936 und 1972 bewiesen, dass sie Olympische Spiele organisieren können“
(Juan Samaranch, IOC-Präsident, 1993)
„Ob man die Entscheidung von einer Umfrage abhängig machen sollte, da bin ich mir unsicher. Es gibt immer ein paar Nörgler.“
(Michael Müller, Regierender Bürgermeister, 2014)

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