Vom Jüdischen Komitee zum Olympiastadion

9. Februar 1998
Eröffnung der ersten Europa-Vertretung des American Jewish Committee (AJC) im Mosse-Palais am Leipziger Platz. Das AJC wurde 1906 von deutschstämmigen Juden in den USA gegründet, die deutsche Repräsentanz will „Fürsprecher wachsender deutsch-amerikanischer Freundschaften“ und Partner der jüdischen Gemeinde in Deutschland sein.

26. März 1998
Neues Modell für die Neugliederung der Berliner Bezirke, ab 2001 soll es durch Zusammenlegungen folgende zwölf Bezirke geben: Mitte/Tiergarten/Wedding („Hauptstadtbezirk“), Prenzlauer Berg/Pankow/Weißensee, Hohenschönhausen/Lichtenberg, Kreuzberg/Friedrichshain, Treptow/Köpenick, Zehlendorf/Steglitz, Charlottenburg/Wilmersdorf, Tempelhof/Schöneberg, Marzahn/Hellersdorf, Spandau, Reinickendorf und Neukölln.

14./15. Mai 1998
Besuch des US-Präsidenten Bill Clinton zum (vorgezogenen) 50-jährigen Gedenken der Berliner Luftbrücke. Auf dem Flughafen Tempelhof ist eine von einem privaten Verein („Berlin Airlift Historical Foundation“) restaurierte Douglas C-54 „Skymaster“, der wichtigste Lastesel der Luftbrücke, mit einigen Luftbrücken-Veteranen aus New Jersey über London eingetroffen. Altpilot Gail Halvorsen (77), der Erfinder der an kleinen Fallschirmen beim Landeanflug abgeworfenen Schokolade- und Bonbonpäckchen für ausgehungerte Berliner Kinder, gehört der Crew an. Erkennbar war sein damaliger „Candybomber“-Anflug (von Frankfurt a.M. und Wiesbaden) immer an den wackelnden Tragflächen. Die offiziellen Feiern werden am 26. Juni folgen.

11. Juli 1998
Die Love Parade 1998 hat wieder ca. 1 Million Raver und selbst zahlreiche „Piep-piep-piep“-Anhänger im und um den Tiergarten herum zusammengepfercht. Es ist eine Riesenparty für jüngere Leute geworden, die einmal im Jahr auf Tuchfühlung in der Megamasse gehen wollen. Die eigentliche Technoszene ist in die Minderheit geraten und dürfte sich von dem gesponserten Rummel bald zurückziehen. Jack Lang, Pariser Kulturbeauftragter und früherer französischer Kultusminister, hat sich vor Ort informiert. Offensichtlich fürchtet die große europäische Kulturhauptstadt, den Zug der Jugend zum durchgetanzten Massenaufmarsch zu verpassen.

Juli 1998
Die Spree am „Spreebogen“ wird wieder in das alte Bett geflutet (siehe 2. August 1996).

13. August 1998
Einweihung eines Mauer-Mahnmals an der Bernauer Straße Ecke Ackerstraße (Wedding/Mitte), bestehend aus einem Rest der Berliner Mauer von 70 m Länge mit Sehschlitzen in der Innenmauer und Stahlplatten an den Enden.

14. September 1998
Eröffnung der neuen ICE-Strecke Berlin-Hannover mit einer Sonderfahrt (fahrplanmäßig erst ab 27. September 1998). Die bereits zu DDR-Zeiten vereinbarte Trasse über Rathenow und ohne Halt an Stendal südlich vorbei ist von Stendalern heftig kritisiert worden: der Entwicklung im wirtschaftlichen Schwerpunkt der Altmark sei mit einem vorbeirauschenden ICE nicht gedient. Berlin profitiert von diesem Teilstück der Schnellbahn-Magistrale Paris-Berlin-Moskau: die Fahrzeit nach Hannover verkürzt sich um eine Stunde auf 1:45 Stunden.

1. Oktober 1998
Eröffnung der neuen U-Bahn-Station Mendelssohn-Bartholdy-Park zwischen den Stationen Gleisdreieck und Potsdamer Platz am Rande der neuen „Daimler-City“.

2. Oktober 1998
Eröffnung des Daimler-Areals am Potsdamer Platz. Die 1990 für „’nen Appel und ein Ei“ (ca. 10% der vergleichbaren Grundstückspreise an der Friedrichstraße) erworbenen 6,8 ha ehemaliger Mauerbrache wurden mit einem Kostenaufwand von 4 Milliarden DM mit 19 Gebäuden, zehn Straßen, einer zentralen Piazza (Marlene-Dietrich-Platz) und einer 1,2 ha großen Wasserfläche bebaut. Errichtet wurden neben 50% Bürobauten und ca. 20% Wohnungen auch 120 Geschäfte, 30 Restaurants, Bars und Cafés, ein Multiplexkino mit 19 Sälen, ein 3D-Kino (Imax), ein Spielcasino, ein Musical-Theater, ein Varieté und zwei Hotels. Wahrzeichen des größten der vier Areale am Postdamer Platz ist die 20-stöckige Debis-Zentrale, deren wie Technikturm mit integriertem Tunnel-Abluft-Kamin 85 m hoch aufragt.
Kritik wurde laut an der Konzeption des Masterplans von Renzo Piano: die sieben Architektengruppen und Bauherren hätten sich auf die Verhältnisse des Viertels um 1933 bezogen und die spätere Geschichte außer acht gelassen. Daniel Libeskind: „Ein Beispiel für autoritäres Mittelmaß“. Es bleibt abzuwarten, wie die Berliner nach dem massenhaften Eröffnungsbesuch (über 1 Million, taz) ihren neuen ‚Protzdamer Platz‘ in den alltäglichen Gebrauch nehmen; seine isolierte Lage zwischen dem führenden City-Bereich Kurfürstendamm und dem aufgewerteten Bereich Unter den Linden/Friedrichstraße ist Chance und Nachteil zugleich.

Ende Oktober 1998
Erster deutscher Warnstreik im World Wide Web wird in Berlin gestartet. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden für das ehemalige DDR-Gebiet eigene Tarifverträge mit deutlich niedrigeren Vergütungen vereinbart, die schrittweise an das West-Niveau angepasst werden sollten. Die bestreikte Institution mit Standorten in den alten Bundesländern sowie in West- und Ostberlin kündigte demgegenüber den von vornherein einheitlichen Haus-Tarifvertrag. Bei der Ostberliner Betriebsstätte sollen die Ost-Vergütungen wieder angewendet werden; sie liegen um 13,5% unter West-Niveau. Diese „Rolle rückwärts“ wollen die Mitarbeiter nicht tatenlos hinnehmen. Streikinstrument: viele der im WWW angebotenen Informationen wurden mit 13,5% Textanteil unlesbar gemacht.

1. Dezember 1998
Verabschiedung eines Senats-Konzepts für die Sanierung und Modernisierung des Olympiastadions. Der Entwurf sieht den Umbau des ‚Tropfsteingewölbes‘ in eine multifunktionale Arena bei laufendem Sportbetrieb vor, Beginn Sommer 2000, Fertigstellung zur Saison 2003/2004, Kosten ca. 600 Millionen DM. Die Summe soll überwiegend von privaten Investoren aufgebracht werden, lediglich ein Bundeszuschuss von 100 Millionen ist bisher zugesagt.

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