Von der PKK zur CDU

17. Februar 1999
Bei der Besetzung des Israelischen Generalkonsulats durch Anhänger der kurdischen PKK wurden drei eingedrungene Personen von hauseigenen Sicherheitskräften erschossen und weitere 16 Besetzer verletzt, von denen einer am 28.02. verstirbt. Zahlreiche Polizeibeamte im Außenbereich, die zuvor niedergeknüppelt und schwer verletzt wurden, waren den Angriffen mit Eisenstangen und Holzknüppeln fast schutzlos ausgeliefert. Nicht alle Beamte trugen bereits ihren Schutzhelm: nach einem Hinweis, dass Kurden das Generalkonsulat besetzen wollten, waren ca. 22 Beamte dabei, Absperrgitter aufzustellen, als die Angreifer gegen 13.35 Uhr über sie herfielen.
Vermutlich wollten sich die nach Polizeiauffassung „konspirativ eingesickerten“ Kurden bis zur geplanten Besetzung um 14 Uhr im Gelände verbergen und wurden durch die unerwartet eintreffenden Polizisten zum vorzeitigen Handeln gezwungen: „Wäre die Besetzung des Konsulats um 14 Uhr losgegangen, wären wir gewappnet gewesen,“ sagte Innensenator Werthebach. Nach offiziell noch unbestätigten Berichten sollen zwei der tödlich Verletzten durch Kopfschüsse getötet worden sein, das ergäbe möglicherweise einen Widerspruch zu der israelischen Notwehrdarstellung. Die Opposition im Abgeordnetenhaus fordert einen parlamentarischen Untersuchungs-Ausschuss.
Nachtrag 27. Mai 1999: Die israelische Notwehr-Darstellung des Ereignisses scheint unhaltbar. In einem vom ARD-Magazin ‚Kontraste‘ ausgestrahlten Video der Berliner Bereitschaftspolizei vom 17.02.1999 kann man erkennen, dass etwa 20 Demonstranten auf der steilen Eingangstreppe des Konsulatsgebäudes, viele mit dem Rücken zur Tür, von ca. elf Schüssen aus dem Hause überrascht werden. Augenzeugen berichten, die Anzahl der Schüsse sei insgesamt um 30 gewesen, die beiden Wachleute sollen ohne jede Vorwarnung aus dem Gebäude heraus, direkt hinter der teilweise geöffneten Tür, in die auf der Treppe stehenden Demonstranten gefeuert haben. Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, dass die Schützen diplomatischen Status genießen und eine strafrechtliche Ermittlung nur im Einvernehmen mit Israel möglich ist.

31. März 1999
Unterzeichnung der Privatisierungs- und Bauverträge für den Berlin Brandenburg International Airport. Der Kontraktabschluss des Bundes und der beteiligten Länder Brandenburg und Berlin erfolgte mit dem Baukonzern Hochtief, zu dessen Konsortium auch die Frankfurter Flughafen AG, die Bankgesellschaft Berlin und ABB zählen. Die Investoren sollen den sechs Milliarden Mark teuren Airport bis 2007 errichten. Bei den Kosten für die Autobahn- und Bahn-Anbindung von 1,1 Milliarden Mark einigten sich der Bund und die beiden Länder als bisherige Eigner der verschuldeten Flughafenholding auf eine Lastenteilung. Der Bund will zusätzlich 343 Millionen Mark aufbringen, die bisher in der Finanzplanung fehlten. Das nötige Bundesgesetz zur Erhebung der umstrittenen „Abfluggebühr“ von 19,50 DM auf allen Berliner Flughäfen soll Bonn auf den Weg bringen. Die von November 1999 an geplante Sondergebühr bringt den Investoren bis 2007 rund zwei Milliarden.
Berlin soll ein „Zentrum des Europageschäfts der Airlines werden“. Dafür soll ausgerechnet die Frankfurter (!) Flughafen AG in Gesprächen mit Airlines sorgen. Bis 2010 würden in Schönefeld durch das Projekt 25.000 Stellen direkt und 70.000 weitere Jobs im Umfeld „geschaffen oder gesichert“. Der neue Airport soll laut Hochtief zunächst 20 und langfristig 45 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen.
Als Baubeginn wird das Jahr 2003 angepeilt, sofern die zahlreichen Proteste die Planfeststellung nicht verzögern. Gegner des Vorhabens sprechen von mehr als 80.000 Bürgern, die von Fluglärm und einem Wertverfall von Immobilien betroffen sind. Mit der Eröffnung des größeren Standorts soll Berlins größter Flughafen Tegel geschlossen werden. Bis dahin wird die citynahe Anlage noch erweitert und die Kapazität von acht auf elf Millionen Gäste erhöht. Der innerstädtische Airport Tempelhof soll dann Ende 2002 geschlossen werden. Um die Attraktivität Flughafens Schönefeld bis zum Neubau zu steigern, ist zwischenzeitlich ein neuer Urlauberterminal vorgesehen.
Nachtrag 3. August 1999: das OLG Brandenburg hebt nach der Klage eines Mitbieters das Auswahl- und Vergabeverfahren für die Bauträgerschaft auf, das Verfahren muss erneut eingesetzt werden. Man befürchtet, dass der enge Zeitplan (s.o.) nicht mehr einzuhalten ist.

19. April 1999
Bundestag erstmals im neuen Reichstagsgebäude. Neuneinhalb Jahre nach dem Fall der Mauer hat der Bundestag den von Sir Norman Foster umgebauten Berliner Reichstag (Wallot 1884-1894) bezogen. Spitzenvertreter aller Parteien würdigten den Umzug als Schritt zur Vollendung der deutschen Einheit. Die spiralig begehbare neue Kuppel mit Aussichtsplattform soll Besuchern frei zugänglich bleiben und besitzt Scheinwerfer, die zu besonderen Anlässen den Berliner Himmel illuminieren können. Ebenfalls eröffnet wurde der Neubau des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das ‚Leo-Baeck-Haus‘ im Bezirk Mitte liegt nahe der ehemaligen Neuen Synagoge Oranienburger Straße.

22. Mai 1999
Eröffnung des ARD Hauptstadt-Studios. Der im Oktober 1996 begonnene Neubau an der Wilhelmstraße 67a, am Spreeufer ca. 300 m östlich mit Sichtkontakt zum Reichstags-Gebäude gelegen, beherbergt das erste ’selbständige‘ ARD-Studio. Zusammengefaßt wurden auf über 5.000 qm Nutzfläche 22 TV-Redakteure der bisherigen Studios Bonn (WDR) und (Ost)-Berlin (SFB, früher Schadowstraße), sowie 45 Bonn- und alle Berlin-Hörfunk-Korrespondenten der zehn ARD-Landesrundfunk-Anstalten. Als Auflage des Landes Berlin beinhaltet der Komplex auch 20 Wohnungen, einige Ladenlokale und ein Restaurant.
Mit 61 Mio. DM Investitionsaufwand für die Hausnetz-, Studio und Arbeitsplatztechnik steht man auf dem neuesten Stand: Jeder Redakteurs- bzw. Redaktionsassistenten-Platz ist verbunden mit einer zentralen Datenbank digitalisierter aktueller und archivischer Video-, Bild- oder Tondokumente, die zur Generierung neuer Abfolgen und Produktion neuer Beiträge einsetzbar vorliegen.
Der Wunsch des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse nach noch weitgehenderer ARD-Berichtserstattung aus der inneren Parlamentsarbeit wurde von Fritz Pleitgen (WDR) mit Hinweis auf den dafür installierten ‚Ereigniskanal‘ Phoenix beantwortet. Es ist die erklärte Absicht der ARD – insbesondere auch im Vergleich mit dem öffentlich-rechtlichen ZDF – ihre Informationsführerschaft in der politischen und gesellschaftskritischen Berichtserstattung auszubauen.

23. August 1999
Erster Arbeitstag des Bundeskanzlers in seinem provisorischen Berliner Amtssitz, dem ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude, Schlossplatz 1. Damit ist die Bundesregierung offiziell von Bonn nach Berlin verlegt. Frühestens im November 2000 kann das Bundeskanzleramt mit seinen 520 Bediensteten ins neue Amtsgebäude im Spreebogen (Webkamera) umziehen.

10. Oktober 1999
Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Die CDU wird mit ihrem bisher besten Ergebnis stärkste Partei (40,8%), die SPD erreicht ihr bisher schlechtestes Ergebnis (22,4%), die PDS wird im Ostteil Berlins mit 41% stärkste Kraft.

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