Das große Fanfest ist für heute vorbei, es ist nachts um 1.45 Uhr. Der Pariser Platz ist fast leer, aber nicht ausgestorben. Die schwüle Luft des Tages ist jetzt einer angenehmen Kühle gewichen, über dem Platz liegt ein feiner Dunst. Der leichte Wind treibt ein paar leere Plastik-Trinkflaschen über das Pflaster. Zwei Taxis stehen auf der Behelfshalte in der Platzmitte, auf der provisorischen Rücke warten nochmal etwa zehn Wagen auf Kundschaft. Doch jetzt kommt kaum noch jemand, das Fest ist schon seit über einer Stunde vorbei. Aus den geöffneten Autofenstern hört man einschläfernde Soulmusik. Der junge Tagesspiegel-Verkäufer unterhält sich mit den Taxlern, er ist aufgeregt, weil die Polizei einige Stunden vorher den Platz gesperrt hatte.
Es kamen keine Taxen mehr drauf, dadurch sind auch ihm Einnahmen entgangen.
Ein paar versprengte Fußballfans kommen aus der Richtung Brandenburger Tor, fast alle in den Trikots ihrer Favoriten. Eben laufen drei Italiener vorbei, nicht älter als 16, 17 Jahre, sie tragen noch eine Fahne, reden aufgeregt, aber sind doch schon sichtlich müde. Zwei Holländer fragen nach dem Fahrpreis bis Spandau, 20 Euro sind ihnen aber zuviel.
Das Hotel Adlon durfte zur Fußball-WM endlich seinen Baldachin aufstellen, der ihm vom Bezirksamt Mitte seit Jahren verwehrt worden war. Nun kommen die Gäste endlich trocken vom Auto ins Hotel. Aber statt Gästen sieht man am Eingang nur drei Doormen, normalerweise steht um diese Uhrzeit gar keiner dort. Aber jetzt ist ja der “Kaiser” da, die FIFA hat sich im Adlon niedergelassen.
Gleich nebenan stehen mehrere Polizeiwagen, vor allem Wannen. Die müden Ordnungshüter sitzen in den offenen Türen oder stehen draußen in kleinen Gruppen herum, sie unterhalten sich, haben nichts zu tun, alles ist ruhig. Die Polizisten vor der französischen Botschaft tragen keine Kampfanzüge, sie stehen immer in Uniform hier.
Ein alter Mann wittert ein Geschäft, er schleicht über den Platz, sammelt leere Plastikflaschen, schaut in jeden Mülleimer. Ein anderer schiebt sein Fahrrad, schaut missmutig zu dem Mann hinüber. Vielleicht ein Konkurrent?
Das Brandenburger Tor steht während der Weltmeisterschaft etwas verdeckt hinter einem blau leuchtenden und blinkenden WM-Ball, etwa acht Meter im Durchmesser und begehbar. Das Tor steht würdig und zurückhaltend da, es muss sich nicht in den Mittelpunkt drängen, weil es sowieso meist im Vordergrund steht. Der Ball liegt vor dem Tor, eine Fußball-Metapher. Die friedliche Stimmung gibt die Atmosphäre der ganzen Spiele wieder. Es sind fröhliche und friedliche Wochen.
Ein Kehrfahrzeug dreht seine Runden über das Pflaster des Pariser Platzes. Knutschend sitzt ein Pärchen auf der Bank neben den Polizeiautos, beide in weißen Trikots. Ballack küsst Frings, dann spazieren sie händchenhaltend Richtung Brandenburger Tor.
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