Kreative Stadtführung

Es kommt öfter vor, dass man als Taxifahrer gebeten wird, einige Sehenswürdigkeiten abzufahren, damit Touristen einen Eindruck von der Stadt bekommen. Manchmal übernimmt einer der Fahrgäste die Moderation, was aber böse in die Hose gehen kann, wenn er sein Wissen nur von Fotos und vom Hörensagen hat, und den Rest dazu dichtet. Dies war auch mein Eindruck, als ich ein paar Briten durch Mitte und Tiergarten fuhr.

Ich stand am frühen Abend am Lustgarten. Die vier Damen und Herren wollten noch schnell was von Berlin sehen, deshalb fuhr ich sie erstmal über die Museumsinsel. Am Wohnhaus von Angela Merkel ging es los: Der laute Engländer neben mir erklärte den anderen, dass Merkel zu DDR-Zeiten stellvertretende Familienministerin gewesen sei und damals dieses alte Haus bekommen habe. Die Vorbesitzer wurden deshalb angeblich verhaftet und aus der DDR ausgewiesen, damit das Haus frei würde. So, so, ich ahnte schon, wie es weitergeht. Und tatsächlich erfuhr ich, dass es damals Unter den Linden täglich eine Panzerparade gegeben hat, um die stete Wachbereitschaft der Armee zu demonstrieren. Daher also die Schlaglöcher.

Leider ging der Blödsinn genauso weiter. Beim Reichstag sagte der Brite, dass das Gebäude früher auf der Rückseite zugemauert war, weil die DDR-Grenztruppen immer in die Fenster geschossen hätten. Denn angeblich war der Reichstag bis 1989 Sitz des Bundeskanzlers, wenn er nach Berlin kam. Vorher – bis 1945 – war hier nach seinen Angaben die NS-Regierungszentrale.

Bis zu diesem Zeitpunkt überlegte ich noch, ob ich ihn korrigieren sollte, aber das verwarf ich gleich wieder. Es wäre einfach zu viel gewesen und ich wollte ihn auch nicht bloßstellen. Und was soll’s auch, dann tagt der Bundestag heute eben in der ehemaligen Reichskanzlei.

Genauso ging es weiter, als wir am Haus der Kulturen der Welt vorbei fuhren. Darin ist heute angeblich der Sitz der Bundeskanzlerin. Kurz danach sahen wir das angebliche „Schloss Charlottenburg“, in dem der Bundespräsident wohnt, um dann zur Siegessäule zu kommen, die von Hitler persönlich entworfen wurde! An diesem Punkt wollte ich eigentlich bemerken, dass Nazi-Deutschland den Krieg doch verloren hat und was denn die Siegessäule für einen Sinn hätte. Aber mir war es mittlerweile auch egal.

Auf dem Weg zur Budapester Straße überquerten wir noch angeblich die Spree (Landwehrkanal), wo ich etwas langsamer fahren sollte. Ich lernte, dass hier genau in der Mitte die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin verlief und deshalb die Grenzboote beider Seiten nebeneinander im Wasser lagen.

Da konnte man ja nur froh sein, dass die Mauer nicht auch noch mitten im Wasser stand…

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2 Kommentare

  1. Hahahaha!

    Muss ich mir alles merken. Das wird ein Spaß!

    Die merkwürigen, blauen und rosfarbenen Rohre sind auch unsere oberirdische Kanalisation. Blaue für die Herren und Rosa für die Damen. Oder sind es doch die Getränkeleitungen für Sekt und Selters ins Berliner Rathaus?

    Du glaubst gar nicht wie wenig unterdessen sogar die meisten Rikschafahrer wissen. Auch dieses Gewerbe wurde unterdessen von hunterlistigen Banausen geentert. Und diese kompensieren ihr Unwissen mit Frechheit, Dreistigkeit und die Dümmsten sogar mit Gewalt.

    Gut, dass wenigstens wir wissen(www), dass heute der Tag der Kapitulaion von Hitler ist.

    —————————————————————–!

    Meine Seele hat es eilig

    ​​Ich zählte meine Jahre und entdeckte, dass mir weniger Lebenszeit bleibt als die, die ich bereits durchlebte.
    ​Ich fühle mich wie jenes Kind, das eine Packung Süßigkeiten gewann: Die ersten aß es mit Vergnügen, doch als es merkte, dass nur noch wenige übrig waren, begann es sie wirklich zu genießen.
    ​Ich habe keine Zeit mehr für unendliche Konferenzen, wo man Statuten, Normen, Verfahren und interne Vorschriften diskutiert; wissend, das ​nichts erreich​t wird.
    ​Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu ertragen, die ​ungeachtet ihres ​Alters nicht gewachsen sind.
    ​Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen.
    Ich will nicht in Versammlungen sein, wo aufgeblähte Egos vorbeimarschieren.
    Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
    ​Mich stören die Neider, die versuchen, Fähigere in Verruf zu bringen, um sich ihrer Stellen, Talente und Erfolge zu bemächtigen.
    Die Menschen, die keine Inhalte diskutieren, sondern kaum die Überschriften.
    ​Meine Zeit ist zu knapp, um Überschriften zu diskutieren.
    Ich brauche das Wesentliche, denn meine Seele hat es eilig.
    ​Ohne viele Süßigkeiten in der Packung…
    Ich möchte an der Seite von Menschen leben, die sehr menschlich sind.
    Die über ihre Fehler lachen können.
    Die sich auf ihre Erfolge nichts einbilden.
    ​Die sich nicht vorzeitig berufen fühlen.
    Die nicht vor ihren Verantwortungen flüchten.
    ​Die die menschliche Würde verteidigen.
    ​Und die nur an der Seite ​​der Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten.
    ​Das Wesentliche ist das, was das Leben lohnenswert macht.
    ​Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die das Herz anderer ​zu berühren wissen.
    ​Menschen, denen die harten Stöße des Lebens beibrachten zu wachsen ​​mit sanften Berührungen der Seele..
    ​Ja … ich habe es eilig … um mit der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann.
    ​Ich versuche, keine der Süßigkeiten zu verschwenden, die mir noch bleiben.
    ​Ich bin sicher, dass sie köstlicher sein werden als die, die ich bereits gegessen habe.
    ​Mein Ziel ist, das Ende zufrieden zu erreichen – in Frieden mit mir, meinen Liebsten und meinem Gewissen.
    ​Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du merkst, dass du nur eines hast.

    Gedicht von Mario de Andrade (San Paolo 1893-1945) Dichter, Schriftsteller, Essayist und Musikwissenschaftler. Einer der Gründer der brasilianischen Moderne.

    PS. Aber Angie schüttelt morgens wirklich immer wie Frau Holle die Betten aus!

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