Berliner Schnauze?

Touris­ten erkennt man spätes­tens daran, dass sie nach dem Weg zur Wasch­ma­schine fragen. Und damit meinen sie keinen Wasch­sa­lon, sondern das Kanz­ler­amt. Es ist eine Unsitte in Berlin, manchen Neubau­ten zwangs­weise einen Spitz­na­men zu geben. Im Taxi höre ich das ja öfter: “Der Berli­ner sagt dazu…” Nein, DER Berli­ner und DIE Berli­ne­rin sagen zum Kanz­ler­amt nicht Wasch­ma­schine, sondern Kanz­ler­amt. Völlig egal, was fast alle Reise­füh­rer behaup­ten und wieviel Mühe auch immer sich diese unsäg­li­chen Lokal­pa­tridio­ten von Bild und Abend­schau geben, irgend­wel­che Kunst­worte für neue Bauwerke zu kreieren. Selbst als ich noch ein klei­ner Junge war, haben meine Verwand­ten nie von Lippen­stift und Puder­dose gespro­chen, wenn sie die neue Gedächt­nis­kir­che mein­ten. Und dass man in Ost-Berlin außer­halb der Medien tatsäch­lich Tele­spar­gel sagte, wenn man den Fern­seh­turm meinte, ist wohl auch eher ein Gerücht.

Ich finde es pein­lich, wie manche Medien mit aller Kraft versu­chen, einen piefi­gen, angeb­lich histo­ri­schen Berli­ner Brauch durch­zu­set­zen, irgend­ei­nen Kunst­na­men zu erfin­den. Das zeugt eher von der eige­nen Spie­ßig­keit, als von Fanta­sie.
Natür­lich gibt es solche Namen, die auch im Sprach­ge­brauch gebraucht werden. Manche wurden nur selten erwähnt, um sich durch­zu­set­zen. Wer benutzt heute z.B. den offi­zi­el­len Namen “Welt­ku­gel­brun­nen” für das, was alle nur den Wasser­klops nennen. Oder “Turm­re­stau­rant Steglitz” für das, was man als Bier­pin­sel kennt. Aber das sind Ausnah­men.

Aktu­ell versucht nun der Tages­spie­gel, zwangs­weise einen Namen zu finden. Opfer sind dies­mal die beiden Hoch­häu­ser am Breit­scheid­platz, am Anfang der Kant­straße. Leser dürfen dort Vorschläge zur inof­fi­zi­el­len Namen­ge­bung ins Online-Kommen­tar­feld schrei­ben. Neben ein paar offen­bar wirk­lich ernst gemein­ten Begrif­fen (Doppel­spitze, Zootem­pels, Runder Zahn & Tetris) setzen sich dort aber eher dieje­ni­gen durch, die eine solche künst­li­che Benen­nung albern finden. Sie schla­gen Namen vor wie Möch­te­gerne, Dick & Doof, Picken­pro­tze, Geld & Gier oder Möch­te­jern­nu­jork. Man sieht: Die “Berli­ner Schnauze” exis­tiert immer noch, wenn auch anders, als vom Tages­spie­gel erhofft.

print

Zufallstreffer

Schreibe den ersten Kommentar

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*