Groß-Friedrichsburg

5 400 km. Menschen­han­del

1838 schämte sich also ein König in Berlin, Fried­rich Wilhelm III. hieß er, dass er Unter­ta­nen bis ans andere Ende der Welt vertrieb. Vertrei­ben musste. Es war ihm unan­ge­nehm, aber aus Prin­zip konnte er nicht anders. Sein Urgroß­va­ter Fried­rich Wilhelm I. musste seinen Sohn Fried­rich immer­hin aus Prin­zip zum Tode verur­tei­len lassen, was auch unan­ge­nehm war, aber letzt­end­lich nicht gelang. Der Groß­va­ter dieses Fried­rich Wilhelms I. wiederum, der eben­falls Fried­rich Wilhelm hieß, aber ohne Nummer, weshalb er der Große Kurfürst genannt wird, schämte sich, kurz nach­dem Austra­lien entdeckt wurde, ganz und gar nicht, an der Südküste von West­afrika eine Kolo­nie zum Zwecke des Skla­ven­han­dels zu grün­den: Groß-Fried­richs­burg im heuti­gen Ghana. Die Ruine seines Forts steht da heute noch.

Skla­ven­han­del – das klingt schreck­lich. Für die Skla­ven war es auch schreck­lich. Aber die waren weit weg. Man brachte sie von Groß-Fried­richs­burg nach Mittel­ame­rika zum Arbei­ten, aus den Augen, aus dem Sinn, und fuhr von dort Zucker und Baum­wolle nach Europa und von hier Waffen und Glas­per­len nach Afrika, um neue Skla­ven zu kaufen. Gerech­ter­weise muss man dem Großen Kurfürs­ten zuge­ste­hen, dass man das damals gar nicht schreck­lich fand. So mach­ten es auch die von ihm und von ganz Europa wegen ihrer Tole­ranz und geis­ti­gen Frei­heit bewun­der­ten Nieder­lande. Es war sogar eine gute Tat, denn so hielt man die Schwar­zen aus den Fängen der spani­schen und portu­gie­si­schen Skla­ven­händ­ler, die katho­lisch waren, also nicht gut für das Seelen­heil der Skla­ven.

Zu diesem Zwecke wollte der Große Kurfürst eine Flotte aufbauen, so groß wie die seines hollän­di­schen Schwie­ger­va­ters. Aus dem Projekt wurde aber nichts. Sein Sohn ließ es einschla­fen, und heute will niemand mehr davon reden.

Dieser Ur-ur-urgroß­va­ter König Fried­rich Wilhelms III. träumte also von einer Flotte wie der nieder­län­di­schen. Fried­rich Wilhelm III. selbst hatte keine Flotte, der war zu Lande voll­auf mit Napo­leon beschäf­tigt. Sein Uren­kel Wilhelm II. aber träumte zwei­hun­dert Jahre nach dem Großen Kurfürs­ten wieder von einer Flotte, dies­mal so groß wie die Groß­bri­tan­ni­ens, und auch er wollte Kolo­nien in Afrika. „Deutsch Südwest“ sagt der Kenner noch heute. Es lag dieser unüber­sicht­li­chen Fami­lie[1] im Blut. Seit sie in Berlin nicht mehr herrscht, träumt dort niemand mehr von der Beherr­schung der Welt­meere und großer Teile Afri­kas oder gar von völlig unmo­ra­li­schem Verkauf schwar­zer Menschen. Die heutige Regie­rung in Berlin verkauft zwar keine wert­lo­sen Glas­per­len mehr an Länder in Afrika, aber immer noch Waffen, und gerech­ter­weise muss man ihr zuge­ste­hen, dass man das heute gar nicht schreck­lich findet. Es ist sogar eine gute Tat, weil man damit Frie­den und Menschen­rechte sichert.

Menschen­han­del, nun mit weißen Mädchen aus Osteu­ropa, kommt dage­gen mitten im heuti­gen Berlin vor; aber alle sind sich darüber einig, dass das voll­kom­men ille­gal und mora­lisch verwerf­lich ist. Wieso man damit über­haupt Geld verdie­nen kann, bleibt unklar.

1 Eine Über­sicht der wich­tigs­ten preu­ßi­schen Fami­li­en­ver­hält­nisse finden Sie in der Stamm­ta­fel.

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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