Die Mühle in Pommerzig

150 km. Gerechter als das Gericht

Die Lesebuchgeschichte vom Müller von Sanssouci ist eine Legende, die Sie ruhig vergessen können. Der König hatte sich die Windmühle selbst neben das Schloss bauen lassen und nie einen Prozess gegen deren Müller verloren. Kein Müller hat gejubelt, wie gut es sei, dass Preußen gerechte Richter habe.

Das wirkliche Geschehen, das der Legende zu Grunde lag, nahm im Oderbruch seinen Anfang. Hier war der Pächter einer Wassermühle immer wieder in Zivilprozesse verwickelt, die er verlor. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser Müller Arnold ein Querulant war. Er konnte oder wollte seine Pacht nicht bezahlen und brachte vor, ein Adeliger habe ihm das Wasser abgegraben, um einen Karpfenteich zu füllen. Wo das Wasser aus dem Mühlbach geblieben sein soll, nachdem der Teich einmal gefüllt war, ist unklar.

Die Geschichte wäre längst vergessen, wenn es dem Müller nicht gelungen wäre, dem König eine Bittschrift zukommen zu lassen. Friedrich II. war damals schon ziemlich verbittert und gehässig, und er traute seinen eigenen Richtern nicht:

Wan die Justitz Ungerechtigkeiten tuhet ist sie schlimer wie Strasen Reüber, ein Müler ist ein Mensch eben so guht wie ich bin.
Friderich

Der ach so fortschrittliche König, der Voltaire zu seinen Freunden rechnete, war sich sicher: Wenn ein Müller einen Prozess gegen einen Adeligen verliert, müssen die Richter ja wohl korrupt sein. Er bestellte die Richter zu sich, herrschte sie an, schrie sich immer weiter in Wut, weigerte sich, sie auch nur anzuhören und steckte sie ins Gefängnis. Genauer: in die Zitadelle Spandau. Mit Festungen kannte er sich ja aus. Dann griff er höchstselbst in den Rechtsgang ein und stellte das her, was er für Gerechtigkeit hielt. Der Müller aber machte bald schon wieder pleite.

Die ausländischen Medien berichteten voller Begeisterung über diesen großartigen König und seinen Gerechtigkeitssinn. Diese Tat passte genau zu den Hoffnungen, die man sich in einem absolutistischen Europa machte, das sich gerade auf die Französische Revolution zubewegte. Die Werbewirkung für die Marke Preußen war immens. So ist es ja auch heute noch: Wenn weit weg in einem Land etwas scheinbar leicht zu Verstehendes geschieht, das die eigenen Hoffnungen oder Befürchtungen bestätigt, wird es zum Symbol, an das man sich klammert. Im Inland aber, wo man den Sachverhalt, die Strukturen und Menschen kannte, sah man die Sache deutlich anders, und das Vertrauen ausgerechnet derjenigen Menschen, sie sich nun gerade für diesen neuen Staat einsetzten, in ihren König wurde erheblich beschädigt.

Am Ende reute den König seine Tat, und er schwor sich, seine Gerichte in Zukunft ohne Eingriff walten zu lassen. Vielleicht kam ihm das Sprichwort vom Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt, in den Sinn.

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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