Künstliches Licht auf den Straßen gibt es in Berlin erst seit 1678 nach einer Anordnung des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (der Große Kurfürst). Darin wurde befohlen, an jedem dritten Haus des Abends eine Laterne mit einem brennendem Licht auszuhängen. Die Durchführung durch die Bürger erfolgte nicht zur Zufriedenheit, so wurde eine Aufstellung fester Laternen durch den Kurfürsten durchgesetzt. Anfänglich wurden Öllampen verwendet, wie sie auch im Hausgebrauch seinerzeit üblich waren. Die Öl-Laternen entwickelten sich über die Jahre, es wurden Glasscheiben zum Windschutz vor die Flamme gesetzt, später wurde die Leuchtkraft durch Spiegel (Reflektoren) verstärkt. Die Laternen wurden gemäß einer Brennordnung von 1682 betrieben, nach der die Laternen nur im Winter und nicht bei vollem Mondschein betrieben werden mussten. Die Laternen wurden von Lampenversorgern und Ansteckern gewartet und angezündet. Vergehen gegen die Brennordnung, etwa das Fehlen von Öl in der Laterne oder das zu späte Anzünden der Laternen wurde mit Lohnabzug bestraft.
1825 erhielt die englische Gesellschaft, die Imperial Gas Assocation das Recht, in ausgewählten Straßenzügen ein Gasrohrnetz aufzubauen. An der Gitschiner Straße (Kreuzberg) entstand 1826 das erste Stadtgaswerk der Stadt. Am 19.9.1826 erleuchteten die ersten Gaslaternen unter den Linden, bereits 1829 später konnten bereits 1.800 Gaslaternen gezählt werden. 1839 wurde eine weitere Gasanstalt durch den englischen Betreiber in Betrieb genommen, 1847 nahm die Stadt ein eigenes, separates Gasnetz mit eigenen Gaswerken in Betrieb. So versorgten über viele Jahre zwei konkurrierende Gasunternehmen mit getrennten Gasnetzen die Berliner Gaslaternen und Verbraucher. Ab 1847 kam eine Standardgasleuchte der Fa. Schulz & Sackur zum Einsatz, die stetig modifiziert wurde.
Die Brenner der Gaslaternen wurden stets weiterentwickelt, um die Leuchtkraft zu erhöhen. Die Masten wurden höher, und der Leuchtkreis konnte erweitert werden. 1879 stellte Fritz Siemens den Regenerativbrenner vor, der die Luft und das Gas vor der Flamme durch die Verbrennungsabwärme erwärmte. J. Schülke setzte diese Technik mit dem Reginabrenner um. Revolutioniert wurde die Gasbeleuchtung erst 1891 durch die Erfindung der Gasglühkörper des Chemiker Freiherr Carl Auer von Welsbach, welche bis heute noch verwendet werden.
Im Jahr 1892 wurde die „Berliner Laterne“ entwickelt, die ab 1893 zum Einsatz kam und eine Fortentwicklung der Standardisierungsbemühungen darstellte. Sie wurde zunächst noch mit Schnittbrennern ausgestattet und ersetzte schrittweise die älteren Laternen, während die Masten erhalten blieben.
Im selben Jahr bekommt die Gas-Straßenbleuchtung in Berlin Konkurrenz durch die ersten elektrischen Glühlampen. Die Öllampen wurden hingegen nach und nach zurückgebaut, 1892 gab es noch ca. 1.200 Öllaternen in Berlin. Gas- und elektrisches Licht wurden gleichsam in der Stadt betrieben und ausgebaut, eine Verdrängung der Gasleuchten war für die nächsten hundert Jahre nie thematisiert worden.
1894 waren bereits fast 4.500 „Berliner Laternen“ montiert worden. In der Fachwelt wird diese Laterne oft als „Modellleuchte“ bezeichnet. Sie findet sich auch heute noch im Straßenraum, vor allem in historischen Stadträumen und wird auch heute noch u.a. mit Gas betrieben. Der im Volksmund häufig gebräuchliche Begriff „Schinkel-Laterne“ (nach dem Baumeister und Stadtplaner Karl Friedrich Schinkel), ist nicht zutreffend, da diese erst 1892 von den Städtischen Berliner Gaswerken selbst konstruiert wurde.
Bis 1898 waren alle 27.000 Berliner Gaslaternen für die Straßenbeleuchtung mit den effektiven Auerbrennern umgebaut worden.
Mit dem um 1900 immer stärker wachsenden Straßenverkehr wurde der Bedarf nach mehr Licht in den Hauptstraßen größer. Dies ging einher mit dem verstärkten Zwang zu mehr Wirtschaftlichkeit, um gegenüber der elektrischen Straßenbeleuchtung zu bestehen. Das Pressgassystem, das ein besonderes Leitungsnetz hatte, konnte zur Fernzündung der Leuchten genutzt werden. Es wurde beim Anbruch der Dunkelheit durch Rücklageventile vom normalen Netz getrennt und dann mit mehr als dem Zehnfachen des Normaldrucks betrieben, der während der gesamten Brenndauer der Leuchten aufrechterhalten wurde. Für die Pressgasbeleuchtung konstruierten die Städtischen Gaswerke eigens besonders gestaltete Kandelaber, von denen einige heute noch erhalten sind. Das Pressgasnetz hatte im Jahre 1929 seine größte Ausdehnung erreicht. Bis zu den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg funktionierte das Netz einwandfrei. Nach 1945 wurde es in West-Berlin nicht wieder aufgebaut, während es in Ost-Berlin noch bis Anfang der 60er Jahre betrieben wurde.
Für die restliche Gas-Straßenbeleuchtung, die mit Niederdruck betrieben wurde, war der 29. April 1925 ein besonderer Tag: Im Bezirk Friedrichshain tat der letzte Laternenanzünder seinen Dienst: Die Umstellung des Netzes auf Fernzündung per Druckwelle war damit abgeschlossen. 1937 waren übrigens weit über die Hälfte aller Niederdruckleuchten als Modellleuchten ausgebildet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren über 80% der Straßenbeleuchtung zerstört oder schwer beschädigt, und zwar nicht nur die Leuchten selbst sondern auch die Versorgungsnetze. Nach der Instandsetzung der Rohrnetze konnte die Gasstraßenbeleuchtung nach und nach wieder in Betrieb genommen werden. In West-Berlin wurde der Aufbau zunächst durch die Blockade aufgehalten, konnte nach ihrer Beendigung im Mai 1949 aber zügig fortgesetzt werden. Zunächst wurde vor allem noch Altmaterial aufgearbeitet, so dass noch bis Anfang der 50er Jahre zahlreiche zweiflammige Modellleuchten in Betrieb gingen. Gestiegene Ansprüche an die Helligkeit führten aber zu einer schnellen Modernisierung der Gas-Straßenbeleuchtung in West-Berlin, die in weiten Teilen der elektrischen Beleuchtung noch überlegen war.
Entwicklung in West-Berlin
Ab 1954 wurden in Westberlin die zweiflammigen Modellleuchten systematisch gegen vierflammige Aufsatzleuchten ausgetauscht. Sie beherrschen seither das Bild von Wohn- und Nebenstraßen. Für Haupt- und Verkehrsstraßen wurde ab 1952 die Reihenleuchte vollkommen neu entwickelt. Gegenüber zweiflammigen Aufsatzleuchten wurden nun komplette Straßenzüge auf neunflammige Reihenleuchten umgestellt, so dass die Lichtverhältnisse sich wesentlich verbesserten und dem gestiegenen Autoverkehr zugute kamen. Zusammen mit der Reihenleuchte hielten auch Peitschenmasten Einzug in die Straßen. Wenig später wurden sie auch bei der elektrischen Straßenbeleuchtung eingeführt. 1955 waren bereits 3.700 Reihenleuchten im Einsatz.
1969 wurde in Berlin (West) die Höchstzahl mit 13.692 Leuchten erreicht. Die Zündung der Westberliner Gas-Straßenbeleuchtung erfolgte nach wie vor über eine Druckwelle, die bis 1959 von 28 Reglerstationen, ab 1959 von vier Zentralstationen aus geschaltet wurde. Von der Bewag ausgesendete Tonfrequenzsignale gaben Schaltimpulse über Postkabel für eine kurzzeitige Erhöhung des Gasdrucks im Rohrnetz. Die Druckwelle zündete alle Gas-Leuchten nahezu gleichzeitig mit dem Einschalten der elektrischen Straßenbeleuchtung.
Die Fernzündung per Druckwelle funktionierte 70 Jahre problemlos, bis die Ära des Stadtgases Mitte 1995 in West-Berlin zu Ende ging. Von 1990 bis 1993 wurden alle 44.000 Leuchten aufgrund der bevorstehenden Umstellung auf Erdgas von Druckwellenfernzündung auf Einzelsteuerung durch Dämmerungsschalter umgebaut. Am 30. Mai 1993 endete die Fernzündung mit der Umrüstung der letzten Leuchte am Kissinger Platz in Wilmersdorf. Ab Oktober 1993 erfolgte dann schrittweise die Direktbelieferung der Leuchten mit Erdgas. Dazu musste an jeder Leuchte Düse und Brenner ausgetauscht und der Druck neu eigestellt werden. Bis Mai 1996, dem Termin der vollständigen Erdgasumstellung, wurden alle Leuchten umgerüstet. In bestimmten Stadtgebieten wird die Gas-Straßenbeleuchtung überdies bewusst als gestalterisches Element eingesetzt. So wurde z.B. im geschützten Bereich Chamissoplatz in den 70er Jahren mit Modell-Leuchten die Gas-Straßenbeleuchtung vervollständigt. Auch in Charlottenburg wurden Straßen noch stimmungsvoller durch Gaslicht erhellt: In den 80er Jahren wurden die vorhandenen Reihenleuchten in der Schlossstraße sowie der Sophie-Charlotten-Straße durch Große Galgen bzw. Bischofsstäbe mit neunflammigen Hängeleuchten ersetzt. 1989 sollten im Zuge des Umbaus der Reichenberger Straße die vorhandenen Reihenleuchten gegen elektrische Leuchten an nachgebauten großen Bischofsstäben ersetzt werden. Anwohnerintiativen erreichten, dass dieser Beschluss rückgängig gemacht wurde. In die für elektrische Beleuchtung vorgesehenen Bischofsstäbe wurden daraufhin Gasleitungen eingezogen und 9-flammige Gas-Hängeleuchten installiert. Die Gehwege werden zudem mit der klassischen vierflammigen Aufsatzleuchte erhellt, so dass die Reichenberger Straße ein gutes Beispiel für die Neuerrichtung einer stimmungsvollen, dennoch zweckmäßigen Gas-Straßenbeleuchtung bietet.
Entwicklung in Ost-Berlin
Während in West-Berlin die Gas-Straßenbeleuchtung nach dem Krieg und dann nochmals in den 90er Jahren ertüchtigt wurde und damit bis heute erhalten blieb, wurde sie in Ost-Berlin fast vollständig abgebaut. Zwar wurden auch in Ost-Berlin bis in die 50er Jahre die Zerstörungen, vor allem durch Verwendung von vorhandenen Materialien, beseitigt. Für den dauerhaften Betrieb oder gar die Erweiterung des Netzes fehlte es an geeigneten Zulieferbetrieben sowie überhaupt an Bestrebungen, die Gas-Straßenbeleuchtung zu erhalten. Die in Ost-Berlin ansässige Elektroindustrie sollte die Grundlage für eine vollständige Umrüstung der Beleuchtung bieten, die in den Augen der Verantwortlichen als veraltet und überholt galt. Zudem war im Rahmen der Umgestaltung des Ost-Berliner Stadtzentrums der Einsatz des modernen elektrischen Lichts quasi vorprogrammiert. 1960 waren noch fast 26.800 Gasleuchten in Berlin (Ost) vorhanden, die aber immer häufiger ausfielen. Entsprechende Reaktionen der Bevölkerung blieben nicht aus. Ab etwa 1963 wurde im Rahmen der Umgestaltungsmaßnahmen im Zentrum mit dem Abbau begonnen, der dann schrittweise von 1971 bis 1982 fortgesetzt wurde. Die Vorgaben in den Perspektivplänen zur Umstellung von Gas- auf Elektrobetrieb (z.B. im Perspektivplan 1968 für die Jahre 1969 und 1970) konnten allerdings nicht eingehalten werden, weshalb in den anderen Bezirken zunächst nur wichtige Hauptstraßen umgerüstet wurden. Eine Beschleunigung des Abbaus brachten Ende der 70er Jahre äußere Einflüsse: Der DDR-Außenhandel hatte die originalen Modellleuchten und Gussmaste erfasst und verkaufte sie in das Ausland gegen Devisen. So gelangten Berliner Maste und Leuchten unter anderem nach Utrecht in den Niederlanden. 1977 wurde beschlossen, die Gasversorgung vollständig auf Erdgas umzustellen. Der Magistrat beschloss in diesem Zusammenhang auch die Umstellung der noch verbliebenen ca. 11.000 – 12.000 Leuchten an 560 km Straßen. Anfang der 80er Jahre stellten die noch verbliebenen Lieferanten von Verbrauchsmaterial ihre Produktion nach und nach ein. 1980 bestellte die Bezirksdirektion für Straßenwesen deshalb letzmalig 6.000 Leuchten (VEB Graetzin) als Reserve, die sie im geschlossenen U-Bahnhof Alexanderplatz einlagerte.
Ab 1978 wurde vom Ost-Berliner Norden beginnend mit der flächendeckenden Umstellung begonnen. Mitte der 80er Jahre wurde jedoch deutlich, dass eine parallel zur Erdgasumstellung verlaufende Umrüstung auf elektrischen Betrieb nicht mehr machbar war. Die noch vorhandenen Leuchten in Köpenick wurden deshalb im Herbst 1989 auf Dauerbrennbetrieb umgestellt, da eine Schaltung per Druckwelle nicht mehr möglich war. Im Zusammenhang mit den politischen Veränderungen im Herbst 1989 formierten sich Bürgerinitiativen, die massiv den Erhalt der Gas-Straßenbeleuchtung forderten. Die Stadt- und Bezirksverordnetenversammlungen beschlossen darauf den Erhalt der Beleuchtung, der jedoch erst mit West-Berliner Hilfe im Herbst 1990 sichergestellt werden konnte. Im Herbst 1993 war die Sanierung der Gas-Straßenbeleuchtung durch Umrüstung auf Dämmerungsschalter für Erdgasbetrieb und Ergänzung des Bestands durch neue Leuchten abgeschlossen – gleichzeitig ein flächendeckender Praxistest für die bevorstehende Umstellung der Leuchten in West-Berlin auf Erdgas.
Berlin nach 1990
Die Gas-Straßenbeleuchtung in ganz Berlin verfügt heute über ca. 44.000 Leuchten. Sie ist voll funktionsfähig und bildet damit den größten weltweit noch zusammenhängenden Bestand an Gas-Straßenbeleuchtung. 2.751 Straßen mit einer Länge von ca. 1.500 km werden allabendlich in den gold-gelben Schein des Gaslichts getaucht. Die Eigenschaften des Gaslichts führten in der Vergangenheit zu zahlreichen Bürgerinitiativen, die den Erhalt der Gas-Straßenbeleuchtung forderten. Sie traten insbesondere dann auf den Plan, wenn die Verwaltung ganze Straßenzüge oder Stadtteile auf elektrische Beleuchtung umrüsten wollte. In West-Berlin gab es zu einer grundlegenden Umrüstung zwar nie parlamentarische Beschlüsse; in den 60er und 70er Jahren, in denen zudem zusätzliche Investitionsmittel des Bundes nach Berlin flossen, wurden jedoch zahlreiche Hauptstraßen und Stadtgebiete in der Innenstadt auf elektrischen Betrieb umgestellt. Die frei gewordenen Leuchten dienten zum großen Teil der Verdichtung und Ergänzung des Bestands, so dass sich die Gesamtzahl der Leuchten proportional nicht so stark reduzierte. Im Dezember 1989 fasste das West-Berliner Abgeordnetenhaus einen Beschluss über Neu- und Ersatzbaumaßnahmen bei der Straßenbeleuchtung, der den grundsätzlichen Erhalt der Gas-Straßenbeleuchtung vorsieht. Grundsätzlich neu gebaute Anlagen für die Gas-Straßenbeleuchtung bilden allerdings seit 1990 die Ausnahme. Beispiele finden sich in der Hiroshimastraße in Tiergarten, für die vorhandene kleine Galgen mit neunflammigen Hängeleuchten zum Einsatz kamen sowie die Ausstattung eines Siedlungsgebietes in Gatow mit einer grundsätzlich neu konstruierten Gasleuchte. Weitaus größere Bedeutung hat jedoch der flächendeckend erhaltene Bestand an Aufsatz-, Hänge- und Reihenleuchten, die insbesondere in Reinickendorf, Spandau, Wedding, Kreuzberg, Charlottenburg, Wilmersdorf, Zehlendorf, Steglitz und Lichtenrade Straßen und Plätze prägen.
Jurziczek mit Unterstützung von Holger Orb und Publikationen Sabine Röck, Berlin
Auszug aus den Berliner Verkehrsseiten
Foto: Clemens Franz, CC-BY-SA-3.0
Habe selbst in den Achtziger Jahren bei der Gasstrassenbeleuchtung in Berlin Baumschulenweg Neue Krugallee 217 den Turmmontagewagen gefahren und auch Gasleuchten gewartet. Bis heute fasziniert mich diese Beleuchtungsart sodass ich im Laufe der Jahre auch eine kleine Sammlung von verschiedenen Gaskandelabern auf meinem Grundstück ausgestellt habe.
Ich habe 1993 die Gasag verlassen, doch würde wieder gern mehr über meine damaligen Kollegen der Brigade Fortschritt auf diesem Wege erfahren.