Positive Enttäuschung

Es gibt Lokale, die haben einen wirklich schlechten Ruf bei Taxifahrern. Und der ist meist auch begründet. Als ich gestern am späten Abend schon ewig an der Halte Turm/Strom stand, bekam ich einen Auftrag zu genau solch einer Kneipe. In den vergangenen Jahren hatte ich dort schon zweimal Fahrgäste abgelehnt. Beim ersten Mal war ich mir nicht sicher, ob der Mann überhaupt noch lebte, den ich da abholen sollte. Das andere Mal kam einer schon mit vollgepinkelter Hose angetorkelt. Entsprechend skeptisch fuhr ich also hin, besser einen unangenehmen Auftrag, als gar keinen. Ich wollte auch einfach weg von der Halte.

Beim Betreten des Lokals wurde meine Besorgnis schon bestätigt. Ein Besoffener brüllte von der Theke „Taxi is da!“ und fiel dabei fast vom Barhocker. Aus dem Hintergrund lallte es zurück: „Komme!“
Der Mann, der dann auf mich zuwankte, sah jedoch gar nicht so unangenehm aus, wie befürchtet. Gepflegt, im Dreiteiler, richtig schnieke, das sieht man selten. Dass er betrunken war, störte mich nicht, solange er friedlich und trocken blieb. Es zeigte sich, dass er auch sehr gute Umgangsformen hatte, er drückte sich während der Fahrt sehr gewählt aus und gab sich alle Mühe, sein Betrunkensein zu verbergen. Er erzählte mir, dass er Anwalt sei und vor ein paar Stunden einen wichtigen Prozess gewonnen hatte. Auch dass er bis nach Frohnau wollte, stimmte mich umsatztechnisch versöhnlich. Allerdings hatte ich zwischendurch immer mehr Zweifel an seinen Ausführungen, er war doch ein großer Angeber. Vor allem, als er dann am Ziel sagte, dass er jetzt schnell sein Geld holen müsse und aus dem Taxi stieg, gingen alle Alarmleuchten an. Ich sprang sofort raus, aber da war er schon erstaunlich schnell in der Villa verschwunden. Da es dort nur eine einzige Klingel gab, war ich mir jedoch sicher, dass ich ihn notfalls schon finden würde.
Erstmal aber wartete ich vor dem Haus, die Uhr stand mittlerweile auf 27 Euro. Als er endlich herauskam, wedelte er mit einem 50-Euro-Schein, bezahlte allerdings nicht, sondern stieg wieder ein: „Zurück in meine Stammkneipe, bitte.“ Okay gerne. Die Rückfahrt war weniger stressig, weil mein Fahrgast mittlerweile recht müde war und vor sich hinsinnierte. Der Alkohol tat seine Wirkung.

Wieder in Moabit angekommen, schob er den 50er nach vorn: „Danke für die nette Fahrt“. Dann verschwand er wieder in der Kneipe und ich zog mit meinen fünf Euro Trinkgeld davon.
Was lernen wir daraus? Auch hässliche Entlein legen manchmal silberne Eier. Oder so.

Foto: Sir James, CC BY-SA 3.0

print

5 Kommentare

  1. Goile Fahrt, goiles Trinkgeld.
    Aber ich hätt auch ordentlich geschwitzt, als der im Haus verschwunden war.
    Oder anders: „Ein häßliches Entlein ist doch manchmal ein Schwan.“ :)

  2. da haste ja nochmal glück gehabt, ich setze eigendlich lieber auf weniger geld dafür aber sicher.
    ja das kenne ich von grolku mit dem va…
    die meisten lehnen den auftrag ab, ich war jetzt schon 3x da und es war immer sehr nett. beim ersten mal wollte der typ mich mit hochnehmen gegen bares^^ das andere mal hab ich dann mit der angetrukenen kundin deutsche schlager gesungen, die hatte ne tolle stimme.

Schreibe einen Kommentar zu Trixi Antworten abbrechen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*