Niederschönhausen

Eine Regie­rung mauert sich ein

Wie in Moyland und in Kossen­blatt kommt auch in Nieder­schön­hau­sen im Bezirk Pankow viel zusam­men. Das meiste hat mit Versu­chen, sich abzu­gren­zen, zu tun, manches auch mit dem Gegen­teil.
Kurfürst Fried­rich III. kaufte sich hier ein Herren­haus, und ausge­rech­net von hier aus führte er seine Verhand­lun­gen, die dazu führen soll­ten, dass er Fried­rich I., König in Preu­ßen wurde. Danach ließ er den Bau zu einem Schloss erwei­tern. Das ist nichts Beson­de­res, weil er so unge­fähr jeden Bau, der ihm gehörte, zu einem Schloss erwei­tern ließ. Es sei denn, der Bau war schon ein Schloss. Dann wurde er nur erwei­tert.
Sein Sohn Fried­rich Wilhelm I. funk­tio­nierte das Schloss um zu einem Verwal­tungs­ge­bäude. Auch das war nichts Beson­de­res. Er benutzte ja jede Gele­gen­heit, um mit der Tradi­tion seines Vaters zu brechen und die geerb­ten Schlös­ser gewinn­brin­gend zu verwen­den.
Als sein nicht so spar­sa­mer Sohn Fried­rich II. endlich machen konnte, was er wollte, schob er seine unge­liebte Frau Elisa­beth Chris­tine hier­her ab. Angeb­lich hatte sie sich in die Land­schaft in der Nähe der Panke verliebt. Er selbst kam frei­wil­lig nie hier­her und sie durfte ganz unfrei­wil­lig niemals Sans­souci besu­chen.
Danach verwen­de­ten die Natio­nal­so­zia­lis­ten den Bau zur Lage­rung und Ausstel­lung „entar­te­ter“ Kunst.
Dann kamen die Sowjets und danach die Regie­rung der DDR, Menschen, die sich in Berlin ihres Lebens nicht sicher fühl­ten. Hier konn­ten sie sich bequem einmau­ern. Der innere Teil des Schloss­parks wurde einge­mau­ert, und im Schloss resi­dierte der erste und einzige Präsi­dent der DDR, auch ein Wilhelm. Sein Arbeits­zim­mer ist im Schloss noch erhal­ten. Die nahe gele­gene Villen­ge­gend um den Maja­kowski­ring wurde eben­falls einge­mau­ert, damit die Führer des Staa­tes schön beiein­an­der, aber unbe­hel­ligt vom gefähr­li­chen Volk und weit weg vom Zentrum Berlins wohnen konn­ten.
Adenauer nannte diese Gruppe von Menschen immer „Pankoff“, weil er den Eindruck vermei­den wollte, sie hätte etwas mit einer Regie­rung und Ost-Berlin etwas mit einer Haupt­stadt zu tun.
Später wurde der DDR-Führung auch diese Lage zu gefähr­lich, und sie ließ sich weit drau­ßen in Bran­den­burg, in einer neu gebau­ten Villen­ko­lo­nie bei Wand­litz einmau­ern. Schloss Schön­hau­sen wurde nun Gäste­haus. Weil man neidisch war, dass der Schah von Persien die Bundes­re­pu­blik besucht hatte, lud man ihn ein und baute dazu eine prot­zige Gäste­woh­nung mit flie­der­far­be­nem Bad ins Schloss. Als sie fertig war, war der Schah schon abge­setzt.
Dann kam die Wende, und wie damals unter Kurfürst Fried­rich III. wurden hier Verhand­lun­gen geführt: der Runde Tisch, die Zwei-plus-Vier-Verhand­lun­gen und der Inter­na­tio­nale Delphi­sche Rat, was auch immer das war. Zum Schluss hat Köni­gin Beatrix noch einmal das Gäste­ap­par­te­ment und das flie­der­far­bene Bad benutzt.
Inzwi­schen ist das Schloss wieder Museum, aber niemand weiß genau, für was. Der innere Teil des Parks ist immer noch einge­mau­ert; aber die Mauer fehlt auf Stadt­plä­nen. Wenn man von der falschen Rich­tung das Schloss zu errei­chen versucht, läuft man sich fest.

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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1 Kommentar

  1. schö­ner arti­kel, bis auf die “villen­ko­lo­nie” wand­litz. waren doch eher beam­ten­heim­stät­ten­werks-häuser mit rauh­putz und übels­ten 70iger bädern. da hätte kohls chauf­feur nich wohnen wollen

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