Band des Bundes

Gewal­ten­tren­nung ohne Mauer

Da, wo einmal der Unter­baum war, beginnt die Spree sechs große, fast halb­kreis­för­mige Bögen zu machen. Einer davon heißt Spree­bo­gen, damit man ihn von den ande­ren fünf unter­schei­den kann, die keine Namen haben. Quer über den Spree­bo­gen verläuft ein Riegel aus heller Beton­ar­chi­tek­tur.
Dessen west­li­cher Teil, den die Spree schräg durch­schnei­det, besteht aus dem Bundes­kanz­ler­amt mit seinem Garten und Hubschrau­ber­lan­de­platz. Dieses Macht­zen­trum der Exeku­tive, ein Bau von Axel Schul­tes und Char­lotte Frank, liegt ganz auf ehema­li­gem West-Berli­ner Gebiet, neben der Schwei­zer Botschaft, deren neuer Flügel aussieht wie ein Tresor. Das Bundes­kanz­ler­amt strahlte ehemals weiß in der Sonne, ist aber inzwi­schen so grau wie Ost-Berlin früher war. Die Stadt wächst sicht­bar zusam­men.
Der östli­che Teil des Bandes des Bundes, direkt neben dem Reichs­tag, besteht aus Bauten für die Legis­la­tive, und auch dort fließt die Spree mitten hindurch. Ein Teil steht auf Ost-Berli­ner Gebiet. Diese Bauten sind das Macht­zen­trum der Legis­la­tive: Büros der Abge­ord­ne­ten und ihrer Helfer, Sitzungs­säle für Ausschüsse und so weiter.
Dazwi­schen hatte Axel Schul­tes ein Bürger­fo­rum mit verschie­de­nen Cafés, Gale­rien und Geschäf­ten vorge­se­hen. Da hätte das Volk, um das sich dort ja schließ­lich alles dreht, von ganz nah das Bundes­kanz­ler­amt und das Abge­ord­ne­ten­haus anschauen können, ab und zu sogar mit einem Staats­be­such. Und die Mitar­bei­ter der beiden Gewal­ten hätten sich unters Volk bege­ben, wenn sie zum Rauchen ihren Bau verlas­sen. Viel­leicht hätten sich dann sogar Gesprä­che zwischen Kanz­ler­amts­be­am­ten, Volks­ver­tre­tern und Wählern erge­ben.
Es ist zu schön, um wahr zu sein. Helmut Kohl wollte nicht, dass vor seinem Zaun was los war. Das Forum blieb ein Traum von Axel Schul­tes. Die beiden Gewal­ten Legis­la­tive und Exeku­tive trennt eine große Frei­flä­che. Man hat sie irgend­wie gestal­tet mit ein paar nied­ri­gen Spring­brun­nen und einzel­nen Bäum­chen, auch Bänke stehen verlo­ren herum, aber vor allem wuchert das Unkraut.
Ich habe im Bundes­kanz­ler­amt gefragt, wem die Fläche eigent­lich gehöre und wer dafür verant­wort­lich sei, der Bund oder der Berli­ner Senat? Man verstand fast nicht, worüber ich redete, denn diese Fläche, die auf dem Stadt­plan den Namen Bürger­fo­rum trägt und die vor dem Haupt­ein­gang des Kanz­ler­am­tes liegt, hat dort noch niemand bewusst wahr­ge­nom­men. Unvor­stell­bar, dass Angela Merkel sie zu Fuß über­quert, wenn sie mal zum Bundes­tag will.
An der ande­ren Seite fahren stän­dig Limou­si­nen der Fahr­be­reit­schaft des Bundes­ta­ges vor. Niemals kommt jemand raus zum Rauchen oder gar, um einmal zum Kanz­ler­amt hinüber­zu­schauen.
Trost­los. Aber die Gewal­ten sind getrennt.

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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