Berlin hat als erstes Bundesland die völlige Freigabe der Ladenschlusszeiten von Montag bis Samstag beschlossen. Schon ab Dezember dürfen die Verkäuferinnen auch noch morgens um 3 Uhr Kartons auspacken oder an der Kasse stehen. Weiterhin wird es vier Sonntage im Jahr geben, an denen die Geschäfte von 13 bis 20 Uhr öffnen dürfen.
Bei uns kennt man nächtliche Ladenöffnungszeiten bisher ja nur aus US-Filmen — meist aus Krimis, in denen die Geschäfte gerne nachts überfallen und ausgeraubt werden.
Aus Sicht der Kunden sind die neuen 24-Stunden-Öffnungszeiten erstmal ein Vorteil: Man kann seinen Einkauf auch nach der Spätschicht machen, man muss nicht zur nächsten Tankstelle laufen oder zu einem teuren Spätkauf. Andererseits spricht einiges dagegen. Der Gesamtumsatz wird sich durch diese Maßnahme ja nicht erhöhen, schließlich brauchen die Menschen nicht plötzlich mehr Milch oder Schuhe. Längere Öffnungszeiten heißt, dass auch Personal anwesend sein muss, das bezahlt werden will. Also müssen die Preise erhöht werden, damit zusätzliche Verkäufer eingestellt werden können. Oder das vorhandene Personal wird weiter ausgedünnt und auf 24 Stunden verteilt, so dass nur noch halb so viel Angestellte da sind, wie bisher. Diese werden dann entsprechend gestresst sein und damit unfreundlich werden, was wiederum auf die Kunden zurückfällt.
Zusätzlich wird es einen einen Verdrängungswettbewerb geben, die kleinen Läden werden weniger Umsatz machen als bisher. Denn anders als Supermärkte und andere Einzelhandelsketten können Familienbetriebe nicht einfach ihre Öfnungszeiten verdoppeln, da sie sich kein zusätzliches Personal leisten können. Das betrifft auch die vielen Einzelhändler in den “Centern” und “Arcaden”, die laut Mietvertrag geöffnet haben müssen, wenn das Einkaufszentrum öffnet.
Da aber das Geld regiert und nicht Vernunft oder Menschlichkeit, werden sich die Rund-um-die-Uhr-Öffnungszeiten durchsetzen, unabhängig vom Sinn oder den Auswirkungen. Und das alles — wie so oft — unter dem Mantel der Modernität und Weltoffenheit.
Es muss noch hinzugefügt werden, daß durch die verlängerten Öffnungszeiten die Stadt nicht mehr zur Ruhe kommen kann. Das wird uns nocheinmal ganz unangenehm aufstossen.