Durchwachsene Schicht

Es gibt tolle Tage, an denen das Taxifahren richtig Spaß macht. Und es gibt auch ätzende, bei denen man sich wünscht, man hätte gar nicht erst angefangen. Auch heute fing es richtig mistig an. Mein erster Funkauftrag, nach nur wenigen Minuten warten, war ein absoluter Reinfall. Der Fahrgast, ein Geschäftsmann, hatte schlechte Laune. Und zwar sehr schlechte. Außerdem war er wohl der Meinung, dass ich daran Schuld wäre, ansonsten hätte er sie nicht an mir auslassen müssen. Auf dem Weg vom Innenministerium zum Hauptbahnhof pöbelte und schimpfte er herum, über die unfähigen Taxifahrer, die alle nur Umwege fahren würden, dreckige Autos hätten und wahrscheinlich zum großen Teil auch noch schwarz arbeiten würden. Anfangs habe ich noch ein paar Worte dazu gesagt, dann aber wurde es mir zu blöd und ich schaltete einfach das Radio lauter. Dies hat er zwar auch bösartig kommentiert, aber das war mir egal. Kurzzeitig hab ich noch überlegt, ob ich anhalten und ihn rauswerfen sollte. Dann hätte ich meine Ruhe gehabt und er vielleicht seinen Zug verpasst. Aber so bösartig bin ich eben nicht, außerdem habe ich ja eine Beförderungspflicht und ungebührliches Benehmen des Fahrgastes entbindet mich davon leider nicht. Außerdem war es ja eine sehr kurze Fahrt.

Bald danach fand ich mich am Savingyplatz wieder, innerhalb weniger Minuten fuhren alle vier Wagen vor mir weg. Dann war ich Erster, und dabei blieb’s auch für eine Weile. Nach ca. einer halben Stunde kam eine Dame auf mich zu, etwa 40 Jahre alt, sehr klein und dünn, sie öffnete die Beifahrertür, setzte sich rein und sagte nichts. Nun ist es nicht so, dass Frauen mich grundsätzlich durcheinander bringen, aber diese hatte es echt drauf. „Wo soll es denn hingehen?“, wollte ich wissen, aber sie schaute mich nur verständnislos an. Dann griff sie sich das Verzeichnis in dem viele Adressen wie Hotels, Theater oder Krankenhäuser aufgelistet sind und begann darin zu blättern. Ich fragte nochmal und endlich antwortete sie: „Ich suche noch“. Nun war Geduld gefragt, ich dachte an Buddha und an meinen Vorsatz, mich nicht provozieren zu lassen. So ging das etwa 5 Minuten, bis ein anderer Fahrgast kam und in den Wagen hinter mir einstieg. Nun hatte ich genug. „Entweder Sie sagen mir jetzt, wohin Sie möchten, oder Sie steigen aus!“ Mein Ton war bestimmt nicht mehr überzeugend freundlich, aber immerhin hatte sie eine Chance. Doch sie nutzte sie nicht: „Ich möchte hier nur sitzen und in Ruhe lesen, bitte schön“. Mein „Nein!“, das Wegnehmen des Buchs und den Zeigefinger Richtung Ausgang zeigend war eins. Sie verabschiedete sich mit einem „Arschloch!“, stieg aus und stiefelte nach hinten. Ich dachte an den Film „Taxi Driver“, ach De Niro, ich war Dir heute echt nahe.

Die beiden indischen Männer, die kurz darauf einstiegen, machten mir das Leben nicht einfacher. Während der eine in ein Bordell wollte, sollte ich nach Ansicht des anderen die Straßen mit den Damen abfahren. Sie fingen an zu streiten, in dem schönen rollenden Hindi, das ich zwar mag, das aber die Aggressivität des Streits nicht abmildern konnte. Nachdem sie sich nicht einigen konnten, sprang der eine aus dem Auto, der andere meinte: „Fahr Knesebeck“. Leider reagierte er weder auf meinen Hinweis, dass die Knesebeckstraße direkt am Savingyplatz ist, noch auf meine Frage nach der Hausnummer. Die Straße geht vom Platz in zwei Richtungen ab, er konnte oder wollte mir aber nicht sagen, wohin er wollte. Also fuhr ich die längere Strecke und an der Ecke Lietzenburger zahlte er und stieg aus.

Es konnte eigentlich nur noch besser werden – und das tat es dann auch. Nach vier Tagen hatte ich dann endlich die ersten Fahrgäste, die wegen der Leichtathletik-WM in Berlin waren. Dreimal hintereinander stellte ich mich vor das Hotel „Berlin, Berlin“, dreimal hatte ich wirklich sympathische Fahrgäste. Der letzte war ein hübscher 19-jähriger Schwarzer, der irgendein Junior-Meister war, die genaue Sportart habe ich schon wieder vergessen. Ihn fuhr ich zum Matrix und während der Fahrt fragte er mich, wo er denn Mädchen treffen könnte. Kurz vor dem Ziel wollte er plötzlich wissen, ob es denn auch Jungs gibt, die man für Sex bezahlen könnte. Klar, ich schrieb ihm eine Adresse nahe des Hotels auf. Er gab mir reichlich Trinkgeld – und einen Kuss auf die Wange. Dann schwebte er davon.

Ich wollte Feierabend machen, schaute aber nochmal kurz am Potsdamer Platz vorbei, und dort erwischte ich noch einen Hauptgewinn: Die Tour ging nach Königs Wusterhausen, und schnell merkten wir, dass wir uns von früher kennen. Von sehr viel früher. Vor über 20 Jahren sind wir uns beruflich mal in Leipzig begegnet, er als Kameramann des DDR-Fernsehens, ich als Mitarbeiter eines Musikverlags. Beide konnten wir uns an interessante Gespräche von damals erinnern, nicht an den Inhalt, aber dass wir sie geführt haben. Und wir haben noch immer gemeinsame Bekannte, es war in jeder Hinsicht ein Glückstreffer.
Damit ging die Taxischicht, die so ätzend begonnen hatte, doch noch schön zu Ende.

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5 Kommentare

  1. Ja, ja, die Taxifahrerei, die soll mal einer verstehen. Wie oft schon wollte ich frustriert die Schicht abbrechen und habe dann noch richtig schöne Touren bekommen.
    Oder umgekehrt.

  2. Stimmt, irgendwie weiß man nie, was auf einen zukommt während einer Schicht, aber das ist ja auch das spannende an dem Beruf.

    P.S.: Man kann übrigens Leute, die im Taxi ungebührlich rumschimpfen oder sich verbal auslassen, durchaus aus dem Taxi verweisen. „Den Anordnungen des Fahrpersonals ist Folge zu leisten“.
    Wenn also jemand den Betrieb des Taxis ungebührlich stört oder beeinträchtigt, kann man den schon an die frische Luft setzen.

  3. @Aro
    >>Wenn der Fahrgast so drauf ist, ist doch sein Leben in Gefahr <<
    :D

    Ich will jetzt nicht pedantisch sein, hab das aber jetzt gerade nochmal nachgelesen:
    Ein Fahrgast kann von der Fahrt ausgeschlossen werden, wenn er die Sicherheit und Ordnung des Betriebes gefährdet
    Leib und Leben ist schon eine Stufe weiter.
    Wenn Dich der Fahrgast im Taxi beschimpft, kannst Du den auf jeden Fall raushauen. ;)

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