Berliner Brücken

Die Doppel­­stadt Berlin-Cölln, als Stütz­punkt der Handelswege zwischen Elbe und Oder an einem günstigen Spreeübergang gelegen, bewachte den die Spree durchquerenden Damm – 1298 erstmals als Mühlendamm erwähnt – und die 1365 erstmals erwähnte „Neue Brücke“ zwischen den Städten, auf der auch das gemeinsame Rathaus stand. Diese, die spätere „Lange Brücke“ sowie die anderen, über die Stadtgräben führenden Zugbrücken an den Stadttoren waren Holzbauten, die im Laufe der Jahrhunderte häufig erneuert werden mussten.

Nach dem Fall der Befestigungswerke wurden aus den aufziehbaren oder aufklappbaren Brücken meistens feste Bauwerke, und nur an den der Schifffahrt dienenden Wasserläufen lagen Zug- oder Klappbrücken. Im Jahre 1723, als die Befestigungsanlagen des Großen Kurfürsten noch bestanden, gab es 29 bewegliche und feste, größere und kleinere Brücken in Berlin. Seil dem Ende des 17. Jahrhunderts entstanden die ersten steinernen Brücken, Monumentalbauten von bedeutenden Architekten wie Johann Arnold Nering, Philipp Boumann, Karl Gotthard Langhaus und Karl Friedrich Schinkel entworfen; einige mit Kolonnaden, die meisten mit figürlichem Schmuck versehen und mit Naturstein verblendet. Mit der Ausdehnung der Stadt und Erschließung neuer Wohngebiete – die Bevölkerung wuchs von 100.000 Einwohnern im Jahre 1755 bis auf über 400.000 im Jahre 1845 – ergab sich laufend die Notwendigkeit, vorhandene Brücken umzubauen und weitere zu errichten.

Die Anlage von künstlichen, innerstädtischen Wasserstraßen – die erste war der 1845 in Angriff genommene Landwehrkanal – und der Bau der Eisenbahnstrecken führte zu einer Vielzahl weiterer Brückenbauwerke. Im Jahre 1876 übernahm die Stadt Berlin die bisher vom Staat errichteten und unterhaltenen Brücken in eigene Regie, so dass von nun an die Zuständigkeit dem Stadtrat für das Tiefbauwesen übertragen war. Als 1877 die Ringbahn fertiggestellt wurde, hatte die Bevölkerungszahl bereits die Millionengrenze überschritten. Mit dem Aufblühen der Reichshauptstadt wuchs in gleichem Maße die Anzahl der Brückenbauten. Dabei legte man besonderen Wert auf die prächtige Gestaltung der Brücken im Umkreis des Stadtschlosses.

Zu den traditionellen Baustoffen Holz, Mauerwerk und Eisen trat mit der vorletzten Jahrhundertwende nach und nach auch der Eisenbeton, und die Bauformen wurden wieder schlichter. Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges gab es im Stadtgebiet von Berlin neben den Eisenbahnbrücken etwa 300 Straßenbrücken. Nach Abschluss der Kampfhandlungen war der überwiegende Teil der Straßenbrücken nicht mehr nutzbar. Unter anderem waren die Brücken über den Teltowkanal, sowie alle innerstädtischen Spreebrücken mit Ausnahme der Schilling- und Weidendammer Brücke gesprengt. Bis zum Jahre 1950 gelang es unter schwierigen Bedingungen, extremer Materialknappheit und Mangel an technischen Hilfsmitteln, durch Brückenhebungen, den Bau von Behelfsbrücken sowie durch Neubauten alle wichtigen Straßenverbindungen wiederherzustellen.
Die Jahre des Wiederaufbaus waren auch im Brückenbau durch die rasante Entwicklung neuer Baustoffe, Bauweisen, und Baumethoden gekennzeichnet, die oft sehr vom Althergebrachten abwichen, so dass gelegentlich Rückschläge fast unvermeidbar waren.

Die starke Zunahme der Motorisierung führte schon 1955 zum Senatsbeschluss für den Bau des Stadtautobahnnetzes. Die Trassierung dieses Verkehrsweges mitten im dicht besiedelten Stadtgebiet warf – wie seinerzeit der Bau der Stadtbahn – große städtebauliche Probleme auf, die nicht immer befriedigend zu lösen waren. Neben dem Umbau bestehender, mussten die vielen neuen Brücken in das Stadtbild integriert werden. Hinzu kamen in erheblichem Umfang andere Bauwerke mit hohem ingenieurmäßigem Anspruch, wie z.B. Tunnel, Tröge, Stützwände und Entwässerungsbauten. Im Ostteil der Stadt stand der Ausbau der Radialen, so z.B. die Süd-Ost-Radiale von Schönefeld zum Stadtzentrum, im Vordergrund.

In den Jahren der Teilung sind im Westteil der Stadt etwa 500 Brücken errichtet worden. Sie stellen ein Anlagevermögen von mehr als 1 Milliarde EUR dar – eine Bauleistung, die neben der großen Anstrengung aller am Bau Beteiligten die gemeinsame finanzielle Leistung aller Bürger erforderte. Im gleichen Zeitraum konnten im Ostteil der Stadt mehr als 200 Brücken erneuert oder umfassend instand gesetzt werden.

Beim Neubau von Brücken nach dem Krieg trat im Gegensatz zu früheren Epochen der architektonische Gesichtspunkt gegenüber dem technisch-konstruktiven Aspekt des Ingenieurs in den Hintergrund. Die Brücken sollten zweckmäßig und kostengünstig sein und in kurzen Bauzeiten errichtet werden. Wie auch auf anderen Gebieten des Bauens führte diese nur technische Betrachtungsweise zu Kritik. So trat der gestalterische Aspekt, sowohl das Brückendetail wie die Bedeutung der Brücke im Stadtbild, wieder in den Vordergrund. Neben bemerkenswerten Rekonstruktionen alter Brücken sind nun auch wieder einige architektonisch bedeutende Neubauten entstanden.

Obwohl auch Brücken nicht für die Ewigkeit errichtet werden können, ist doch Dauerhaftigkeit und Verminderung des Unterhaltungsaufwandes oberstes Ziel des Brückenbauers. Aus Fehlern haben alle Beteiligten gelernt, so dass in der Zukunft aus einem reichen Erfahrungsschatz geschöpft werden kann.

Horstpeter Metzing
Mitautor von „Berlin und seine Brücken“
Jaron-Verlag

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