Die schwarzen Brüder

Mit einer Sage ist der Name der Brüderstraße, einer der ältesten Straße Berlins, verknüpft. Diese Sage handelt von vier Brüdern, deren Namen sich leider nicht erhalten haben. Sie sollen aber, wenn man den Überlieferungen des Volksmundes Glauben schenken darf, ein Musterbeispiel brüderlicher Liebe und Treue gewesen sein. Sie waren alle Vier Junggesellen, sie wohnten gemeinsam in einem Hause, aßen stets zusammen an einem Tisch und tranken ihr Bier oder ihren Wein aus einem Kruge. Ritten sie aber aus, dann saßen sie zu vieren hintereinander auf einem starken Ross, und jeder, der sie so beisammen sah, hatte seine helle Freude an dieser brüderlichen Harmonie. Sie wurde niemals auch nur durch den Schatten eines Misstons getrübt.

Nur einem wollte dieses herzliche Einvernehmen auf die Dauer nicht gefallen, und das war, wie die Sage es will, der Teufel in eigener Person. und der damals noch in hohem Ansehen stehende Herr der Unterwelt beschloss, mit eigener Hand Zwietracht unter sie zu säen, um ihre Seelen für sich zu gewinnen.
Der Teufel verwandelte sich in ein schönes junges Mädchen. In dieser verlockenden Gestalt gelang es ihm dann auch, die vier Brüder so zu umgarnen, dass jeder einzelne sich insgeheim für den erklärten Günstling des schönen Mädchens hielt. Und jeder der Vier war dabei eifrig bemüht, dieses Geheimnis streng für sich zu bewahren.

Nach solch wohlgelungenen Vorbereitungen konnte Satanas endlich zu einem letzten Schlage ausholen. Mit List und Tücke lud er alle vier Brüder um die gleiche Stunde und an dem gleichen Ort zu einem Stelldichein. Und das natürlich in der hoffnungsfreudigen Erwartung, dass sie sich dann als Nebenbuhler erkennen und im Bösen, vielleicht sogar unter Mord und Totschlag auseinandergehen würden.
War soweit alles nach Wunsch gegangen und glaubte der Höllenfürst sein unehrliches Spiel schon gewonnen zu haben, so musste er zum Schluss doch einsehen, dass er sich schmählich verrechnet hatte. Denn in seiner Freude war er ein wenig zu früh in seine eigentliche Gestalt zurückgeschlüpft, so dass die vier Brüder rechtzeitig genug erkannten, wer sie genarrt hatte.
Statt sich nun gegenseitig die Schädel einzuschlagen, reichten sie sich brüderlich die Hände, schämten sich ehrlich ihrer Heimlichtuerei und beschlossen, in Zukunft noch mehr als früher zusammenzuhalten und aufeinander zu vertrauen. In düsteres Schwarz gekleidet lebten sie fortan ganz für sich allein. Bald darauf gründeten sie das Kloster der „Schwarzen Brüder“, zu dem nur der Zutritt erhielt, der gleich ihnen mit dem Treiben dieser Welt nichts mehr gemein haben wollte.

Das Kloster der „Schwarzen Brüder“ hat tatsächlich existiert. Es stand bis Mitte des 18. Jahrhunderts am Ausgang der nach ihm benannten Brüderstraße, etwa an der Stelle, an der früher der Begas-Brunnen stand. Seine Entstehungsgeschichte wird allerdings eine weniger sagenhafte gewesen sein.
Am Hause der vier Brüder in der Brüderstraße aber kündete noch lange eine erzene Tafel, auf der ein Pferd mit vier Reitern zu sehen war, von brüderlicher Liebe und Treue, der selbst die „Hölle“ nichts hatte anhaben können.

Ernst Grau

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