Zerstörtes Vorbild

Es war einmal vor fast 40 Jahren, als ich zum ersten Mal von dem Land Nicaragua hörte, in dem die rechte Diktatur zum Teufel gejagt wurde. In den Jahren danach bekam ich mehr Einblick: Das kleine Land in Mittelamerika bekam in der linken Szene Europas immer mehr Bedeutung. Viele reisten dort hin, um die Revolution der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN zu besuchen und erzählten hier von ihren Eindrücken. Sie nannten sich die Internationalen Brigaden. Ein Freund von mir blieb sogar dort und wurde Polizist in der Hauptstadt Managua. Die Gesellschaft Nicaraguas wurde basisdemokratisch organisiert, die Minister legten in den Dörfern, Schulen und den neuen Gemeinschaftshäusern Rechenschaft ab über ihre Arbeit. Und sie konnten jederzeit abgewählt werden.

Da die USA kurz nach der Revolution mit allen Mitteln gegen die sandinistische Regierung schoss, musste sich das Land andere Bündnis- und Wirtschaftspartner suchen. In Deutschland tauchte bald Solidaritätskaffee aus Nicaragua auf. Man zahlte mehr als für den Kaffee aus dem Supermarkt und unterstützte damit diese neue Gesellschaft.

Über viele Jahre war das Land ein Vorbild für den Aufbau einer neuen Gesellschaft. Was besonders schwer war, weil es die ganze Zeit über von rechtsradikalen Terroristen angegriffen wurde. Bei den freien Wahlen wurde die FSLN stärkste Partei und lange sah es so aus, als würde ein kleiner Traum erfüllt. Doch Macht macht korrupt, das gilt auch für den damaligen Revolutionsführer und Staatschef Daniel Ortega. 1990 wurde er abgewählt, trotz Vergewaltigungsvorwürfen aber 2006 erneut gewählt. Von einem demokratischen und revolutionären Vorbild entwickelte er sich nun jedoch zum Diktator, zahlreiche ehemalige Mitkämpfer/innen distanzierten sich und gründeten eine eigene Organisation.

Die Nachrichten die heute aus Nicaragua kommen, sind nur noch traurig und erschreckend. Längst gibt es eine breite Korruption, willkürliche Polizeigewalt, Tausende von politischen Gefangenen. Wer offen gegen die Diktatur auftritt riskiert seine Freiheit und sogar sein Leben.
Von der großen Hoffnung, die die Sandinisten eins waren, für das eigene Volk, aber auch für viele andere in der Welt, ist nichts mehr geblieben. Nur noch Enttäuschung, dass die Partei FSLN nicht stark genug war, diese Machenschaften Ortegas zu verhindern oder ihn rechtzeitig abzusetzen. Aber die Ideen und das jahrelange Vorbild für andere waren ein Gewinn.

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5 Kommentare

  1. Ja das stimmt, es ist traurig. Da werden diejenigen triumphieren, die es ja „schon immer gewusst“ haben. Aber eine freie Gesellschaft muss man sich nicht nur erkämpfen, sondern sie immer wieder verteidigen. Vielleicht ist das vielen nicht klar.
    Die Idee und die ersten 15 Jahre waren gut und richtig. Heute sollte die FSLN eine neue Revolution machen – gegen Korruption, ohne Ortega.

  2. Und beim nächsten Versuch, den „wahren“ Sozialismus einzuführen (denn bisher waren das ja alles keine echten Sozailismen, UdSSR, DDR, Kuba, Vietnam……… ……… ……… ) wird dann alles besser! Viva Fidel!

      • Also, nicht in der Welt, in der ICH lebe. Aber ich wünsche viel Erfolg beim x-ten Versuch, den Sozialismus zu verwirklichen. Sie fänden hier bei den Befürworten des bedingungslosen Grundeinkommens gewisslich Gleichgesinnte.

        • Keine Ahnung, in welcher Welt Du lebst. Ich sehe nur: Selbst in reichen Ländern wie DE gibt es immer mehr Arme und Obdachlose, auf der ganzen Welt Diktaturen und Kriege, Millionen Menschen sind auf der Flucht, Die Natur wird mutwillig zerstört – wenn dies Dein funktionierender Kapitalismus ist, dann vielen Dank. Kein Interesse.

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