Bußgeld gegen Antisemitismus-Opfer!

Was ist das für ein Zeichen? Nur einen Tag nach dem antisemitistischen Terroranschlag von Halle verhängte das Amtsgericht Tiergarten heute eine Ordnungsstrafe gegen einen 25-jährigen Juden, weil er nicht zum Prozess erschien. Er war Sommer 2018 im James-Simon-Park von fünf Männern angegriffen worden, die ihn erst antisemitisch beleidigten und dann mehrere Minuten auf ihn einschlugen und ihn traten. Das Opfer hatte eine Anhänger mit Davidstern getragen.

Die 19 bis 23 Jahre alten Angeklagten schwiegen vor Gericht. Einer der Männer hatte dem Geschädigten dessen Kette mit Davidstern-Anhänger vom Hals gerissen, sie sich um die Faust gewickelt und dem Mann dann einen Faustschlag ins Gesicht versetzt.

Warum das Opfer heute nicht als Zeuge vor Gericht erschienen ist, ist unklar. Wenige Stunden nach dem Mordanschlag von Halle ist eine Einschüchterung nicht auszuschließen. Trotzdem verhängte das Gericht ein Ordnungsgeld von 150 Euro, ersatzweise drei Tage Haft. Zum nächsten Prozesstag in zwei Wochen soll er sogar polizeilich vorgeführt werden.

Es ist unglaublich, zu welch unsensiblem Vorgehen die Justiz bereit ist. Man will ja fast schon hoffen, dass es nur fehlendes Feingefühl nicht und nicht eine bewusste, politisch motivierte Entscheidung. Heutzutage ist aber auch das nicht mehr auszuschließen.

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4 Kommentare

  1. Moin, moin,
    sorry, hier sehe ich keinen Fehler. Warum soll ein Zeuge weil er Jude ist anders behandelt werden als du und ich? Wenn ich als Zeuge geladen bin, muss ich auch pünktlich da sein. Steht mit allen Konsequenzen auch auf der Einladung.
    Wahrscheinlich hängt das ganze Verfahren an der Aussage dieses Zeugen, der hier Opfer der Schläger war. Wenn der Zeuge dann nicht erscheint, kommt der Prozess nicht weiter und das ist für alle Beteiligte mehr als ärgerlich. Das kostet richtig Geld. Möglicherweise mehrere Anwälte, Staatsanwalt, Richter, Schöffen, Jugendgerichtshilfe usw..
    Alle sitzen da vergeblich. Nicht lustig!
    Gruß Frank

    • Nun, Opfer einer Straftat sind oft traumatisiert, was durch eine erneute Konfrontation mit den Tätern noch verschlimmert werden kann. Das Attentat von Halle, das am Vortag stattgefunden hat, hat vielen Juden in Deutschland ihre Rolle als potenzielles Opfer vor Augen geführt und ebenso ihre Verletzlichkeit. Mich wundert es nicht, dass der junge Mann nicht zum Prozess erschienen ist.
      Was mich ankotzt ist das unsensible Vorgehen des Gerichts, das diese Vorkommnisse von Halle außer Acht lässt und sofort ein Ordnungsgeld oder ersatzweise Haft verhängt.
      Beim gerade zu Ende gegangenen Prozess gegen die Mörder von den Hells Angels ist auch ein Zeuge nicht direkt aufgetreten. Er durfte über eine Videoschaltung aussagen und musste nicht vorher im Gericht auf dem Flur sitzen, für jederman sicht- und angreifbar.
      Natürlich muss man aussagen, aber man kann das so oder auch anders organisieren. Dieses Vorgehen des Gerichts wird er sicher als erneuten Schlag empfinden.

      • Hallo Aro,
        natürlich mag man in diesem Fall über einen besonderen Schutz nachdenken. Mir geht es aber um das unentschuldigte Fehlen! Was hindert einen Zeugen, eine Mail zu schicken oder einen Anruf zu tätigen und das Problem zu thematisieren?
        Das Gericht hat hier auf das unentschuldigte Fehlen reagiert. Entsprechende Sanktionen sind im Vorladungsschreiben deutlich genannt.
        Bitte verstehe mich nicht so, dass ich die Ereignisse von Halle bagatellisieren möchte. Ich finde aber, dass es kein Alibi sein kann, sich einfach nicht zu melden.
        Gruß Frank

        • Hey Frank,
          formal gesehen hast Du natürlich recht. Aber gerade bei Traumatisierten (falls es denn der Fall ist…) sollte man anders damit umgehen. Das betrifft natürlich nicht nur Juden, sondern generell Opfer von Gewalttaten.

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