Als Sprayer bei der US-Army

Anfang der 1980er Jahre hatte ich einige Freunde aus dem sogenannten antiimperialistischen Umfeld. Darunter RAF-Sympathisanten, meist wie ich um die 20 Jahre alt, manche älter. Ich war zu der Zeit viel in Westeuropa und der Bundesrepublik unterwegs, wohnte mal hier und mal dort einige Tage oder Wochen, selten auch ein paar Monate. Meistens waren es Wohngemeinschaften oder Kommunen, in denen ich unterkam. In dieser Zeit lernte ich einige Menschen kennen, die später auf unterschiedliche Weise bekannt werden sollten, als Terrorist, als Künstler, als Außenminister.

Während meiner Zeit in Karlsruhe machte ich Bekanntschaft mit dem Sondereinsatzkommando der Polizei, das über’s Dachfenster früh morgens unsere Wohnung stürmte, uns zusammenschlug und schließlich die gesamte Wohnung zertrümmerte. Sie nannten es Durchsuchung. Man hatte den Verdacht, wir wären RAF-Unterstützer.
Wäre ich es gewesen, hätte ich damals alle Möglichkeiten zu einem Anschlag gegen die US-Armee gehabt. Denn ich jobbte zu der Zeit ausgerechnet in einer Kaserne von denen in der Nähe von Karlsruhe – und zwar als Sprayer. Ich arbeitete in dem Teil der Kaserne, in dem die Panzer und LKWs ihre Tarnlackierung bekamen. Flecktarn nennt man das und es ist ein Camouflage-Muster aus Erd- und Olivtönen. Damit sollen die Fahrzeuge aus der Luft weniger auffallen, wenn sie sich in der Natur bewegen. Das Muster wurde mit drei oder vier verschiedenen Farben aufgebracht. Allerdings nicht so, wie es mir gefallen hätte, sondern jedes Fahrzeug bekam genau die gleiche Lackierung, so dass man sie später nicht anhand des Musters auseinander halten könnte. Um das zu gewährleisten, wurden diese Muster zuvor von einem der Soldaten mit Kreide aufgemalt und die Felder erhielten eine Nummer, die der jeweiligen Farbe entsprach. Malen nach Zahlen sozusagen, wie für die kleinen Kinder im Malbuch.
Nach der Razzia in unserer Wohnung wurde mir der Ausweis zum Betreten der Kaserne abgenommen, ab sofort war ich ein Sicherheitsrisiko.

Allerdings bin ich bald danach nochmal zum Sprayen in einer Kaserne gewesen, diesmal jedoch bei der Bundeswehr und eher weniger offiziell.
Hintergrund war die Verhaftung meines Freundes Juri aus Niedersachsen, der sich weigerte, zur Bundeswehr zu gehen und auch keinen Ersatzdienst machen wollte. Totalverweigerung war damals eine Straftat und er stand zu seiner Entscheidung, wollte nicht untertauchen oder nach West-Berlin abhauen. So gründete sich eine Solidaritätsgruppe, mit der ich dann nachts in besagter Kaserne einbrach. Wir brachten unsere antimilitaristischen Parolen an den dort abgestellten Fahrzeugen an und verschwanden wieder unerkannt. Da man es auch von außen gut sehen konnte, erschienen in den nächsten Tagen mehrere Artikel in den Regionalzeitungen. Stolz schauten wir uns die Fotos an und trotz mehrerer Vorladungen zur Polizei wurde für die Aktion niemand verurteilt. Juri dagegen erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die er auch absaß. Danach sollte er nochmal eingezogen werden, weigerte sich erneut und wurde wieder festgenommen. Diesmal allerdings gab es einige Unterstützung aus der Politik, so dass das Verfahren schließlich eingestellt wurde.

ANDI 80

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