Heimat Moabit

Heimat? Was ist das? Und wieso Heimat Moabit? Ist Heimat nicht eher was für Natio­na­lis­ten?

Moabit ist der einzige Orts­teil Deutsch­lands, mit einem Heimat­mi­nis­te­rium. Das ist Teil des Innen­mi­nis­te­ri­ums und wird geführt von Horst Seeho­fer. Und dieser ist einer der Poli­ti­ker, die ganz beson­ders auf ihre Heimat abfah­ren. In diesem Fall aber nicht Deutsch­land, sondern Bayern.

Dieses Beispiel zeigt bereits, dass „Heimat“ kein objek­ti­ver Begriff ist, sondern unter­schied­lich ausge­legt werden kann. Während Seeho­fers Heimat sowohl Bayern, als auch die Bundes­re­pu­blik ist, haben in Moabit viele einen ande­ren Heimat­be­griff. Heimat kann für sie der Geburts­ort sein, egal ob er in Syrien liegt, in Wanne-Eickel oder – wie bei mir – in Kreuz­berg.

Für mich ist Heimat der Ort der Kind­heit und Jugend, niemals später war mir eine Gegend so vertraut wie dort. In meiner Heimat kannte ich alle Haus­ein­gänge, fast alle Nach­barn, auch in den Neben­häu­sern. Ich wusste genau, wo man auf’s Dach kommt, über welche Höfe man quer durch den Block konnte, wie die Bäcke­rin heißt und wo abends die nicht verkauf­ten Kuchen­stück­chen raus­ge­legt wurden. Auf der Straße konnte ich jedes Auto seinem Eigen­tü­mer zuord­nen (aller­dings gab’s auch damals viel weni­ger Autos), ich kannte die Geräu­sche und Gerü­che meines Blocks. Heimat war, was vertraut war. Nicht nur im Posi­ti­ven.

Mit zuneh­men­dem Alter wuchs die Heimat. Als ich einige Jahren in der Welt herum­reiste, war es Berlin, das ich meine Heimat nannte. Besser: West-Berlin. Denn Ost-Berlin kannte ich zwar auch ganz gut, aber ich wäre damals nie auf die Idee gekom­men, es meine Heimat zu nennen. Ebenso wenig wie die Bundes­re­pu­blik, die für mich damals nur West­deutsch­land hieß. Außer der Spra­che verband ich mit ihr nicht viel.

Anders ist es oft bei Menschen, die gezwun­gen sind, ihr Land zu verlas­sen, weil sie dort z.B. verfolgt werden oder hungern müssen. Sie wurden aus ihrer Heimat heraus­ge­ris­sen und haben deshalb oft ein ande­res Verhält­nis dazu, als ich. Wenn man dann noch in einen ande­ren Kultur­kreis kommt, mit unbe­kann­ten Gebräu­chen, frem­der Spra­che und Buch­sta­ben, dann fühlt man sich verlo­ren. Erst recht, wenn einem die Einge­bo­re­nen des Landes feind­lich gesinnt sind, wie es leider auch in Deutsch­land oft der Fall ist. Für Immi­gran­ten und Flücht­linge ist ihre Heimat oft ein Sehn­suchts­ort. Sie haben mehr oder weni­ger Chan­cen, wieder dort­hin zurück­zu­keh­ren. Wer psychisch und mental flexi­bel ist, baut sich in der Fremde ein neues Leben auf. Und mit den Jahren und Jahr­zehn­ten kann auch dort eine neue Heimat entste­hen.

Neben Kreuz­berg ist für mich auch Moabit meine Heimat. Ich lebe seit 20 Jahren hier, habe viele Leute kennen­ge­lernt, kenne viele Ecken und Kanten dieses Dorfes, einige bekannte Prot­ago­nis­ten des loka­len Lebens und mitt­ler­weile auch manche, die ich möglichst nicht tref­fen will. Und ich finde es klasse, Menschen zu kennen, die neben Moabit eben­falls noch eine andere Heimat haben und aus dieser erzäh­len. Diese kann in Deutsch­land liegen oder aber auch tausende Kilo­me­ter entfernt. Das gefällt mir an Moabit: Die Viel­falt von Menschen, für die das hier eine Heimat ist, ohne dafür einen Natio­na­lis­mus zu brau­chen. Heimat Moabit eben.

print

Zufallstreffer

Internet

Klare Worte zur CDU

…aber nicht nur an die, auch SPD und AFD krie­gen ihr Fett ab. Was ist passiert? Einer der erfolg­reichs­ten deut­schen You-Tube-Stars hat ein knapp 1‑stündiges Video einge­stellt, “Die Zerstö­rung der CDU”. Bisher war der 26-jährige […]

Weblog

Der Untertan

Der Deut­sche gilt gemein­hin als guter Unter­tan. Mag sein, dass sich dieses Bild in den letz­ten Jahren geän­dert hat, nicht aber die Tatsa­che, dass er es ist. Auch mich hat die Empö­rung in Stutt­gart gefreut, […]

Geschichte

Wilde Bühne und Tingel Tangel

Während oben im Thea­ter des Westens ernste Opern oder fröh­li­che Operet­ten gespielt wurden, wurde 1920 das soge­nannte Parzi­val­zim­mer geschlos­sen. Der Saal befand sich im Unter­ge­schoss des Thea­ters, zugäng­lich von der West­seite, unter der Kaiser­treppe hindurch. […]

Schreibe den ersten Kommentar

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*