Geistige Nachfolger

Gestern gab es im Amtsgericht Moabit einen Prozess, dessen Ergebnis zu Sorge Anlass gibt. Angeklagt war der Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA, Markus Tervooren. Die VVN-BdA wurde nach dem Krieg von Überlebenden der Nazi-Diktatur gegründet, deshalb heißt sie auch „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur an die Naziverbrechen zu erinnern, sondern auch dagegen zu sprechen, wenn es erneut profaschistische Tendenzen in der Bundesrepublik gibt. Damit ist sie den Rechtsradikalen und Neonazis von heute natürlich ein Dorn im Auge.
So auch am 26. Januar 2019 während einer bezirklichen Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des deutschen Faschismus auf dem Parkfriedhof in Marzahn. Zusammen mit rund 30 anderen Antifaschist*innen hatte sich Tervooren an der Stele für Zwangsarbeiter versammelt, zusammen mit einem Transparent „Den Opfern des Faschismus gedenken, heißt auch den Rechtsruck bekämpfen“.
Auch Vertreter der AFD kamen an diesem Tag zu der Stele. Das Verhältnis dieser Partei zum Nationalsozialismus ist ja ausreichend bekannt („Vogelschiss in der Geschichte“). Und wenn AFD-Vertreter sich an einer solchen Aktion beteiligen, dann ist das nur scheinheilig und hat den Zweck, sich selber in ein positiveres Licht zu rücken.
Durch das aufgespannte Transparent konnten die Rechten nun nicht bis an die Stele heran und es gab ein Handgemenge. Das gerichtliche Nachspiel folgte gestern im Amtsgericht Moabit, Markus Tervooren wurde von der AFD Marzahn-Hellersdorf der Nötigung bezichtigt. Dabei gab er in einer Erklärung bekannt, er wäre zu diesem Zeitpunkt gar nicht am Transparent gewesen, sondern hätte abseits davon einen Offenen Brief verlesen.
Zwei Zeugen der AFD beschuldigten den Angeklagten und bezeichneten ihn als Straftäter und Anpeitscher. Der dritte Zeuge, ein Polizist, entlastete den Angeklagten Tervooren jedoch.
Bei den Zuschauern entstand jedoch der Eindruck, dass Staatsanwaltschaft und Richterin es auf eine Verurteilung des Antifaschisten abgesehen hatten. Ein von der Verteidigung als Beweismittel eingereichtes Video wurde abgelehnt. An die zuvor verlesene Erklärung Tervoorens konnte sich die Richterin plötzlich nicht mehr erinnern. Stattdessen bezeichnete sie die AFD als „demokratisch gewählte Partei“ (was genauso für die NSDAP gilt). Die Zuschauer hatten nicht den Eindruck, sie wäre objektiv, da alle entlastende Punkte nicht berücksichtigt wurden. Schließlich verurteilte sie Markus Tervooren sogar zu einer höheren Strafe, als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Gleichzeitig verwies sie die Zuschauer des Saales.
Nichtberücksichtigung entlastender Tatsachen und die Verteidigung der AFD hinterlassen einen eindeutigen Eindruck, dass es sich hier nicht um eine „normale“ Gerichtsverhandlung gehandelt hat, und dass das Urteil politisch motiviert ist.
Der Angeklagte Tervooren hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

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