Versteckt in einem Zimmer, das den normalen Besuchern des Gesundheits- und Sozialzentrums Moabit sonst verschlossen ist, hängt ein Foto sowie eine kleine Gedenktafel für Lydia Rabinowitsch-Kempner. Obwohl seit 2016 eine Straße in der Europacity nach ihr benannt wurde, ist die Medizinerin in der Öffentlichkeit fast unbekannt. Dabei hat sie Großes geleistet, vor allem in Moabit.
Hier, im damaligen Städtischen Krankenhaus Moabit, war sie ab 1894 im Alter von 23 Jahren die unbezahlte Assistentin des Mediziners Robert Koch. Sie promovierte im selben Jahr und sollte dann Jahrzehnte lang zu Seuchen forschen, besonders zur Tuberkulose. Tragischerweise verlor sie Jahre später ihre Tochter sowie ihren Mann Walter Kempner, der ebenfalls für Robert Koch arbeitete, ausgerechnet an diese Krankheit.
Erst einmal aber forschte und publizierte sie, zwischendurch auch in den USA, dann ab 1898 erneut hier in Moabit. Sie setzte sich für Frauenrechte ein und engagierte sich sozial. 1902 reiste Rabinowitsch-Kempner zusammen mit ihrem Mann nach Odessa, um dort gegen die neu ausgebrochene Pest zu kämpfen. In den folgenden Jahren gründete sie die erste Zeitschrift für TBC und wurde in der ganzen Stadt bekannt, als sie nachwies, dass die Milch des Moabiter Unternehmers Bolle Tuberkelbakterien enthielt. Robert Koch war dieser Nachweis zuvor nicht gelungen.
Als erste Frau in Berlin und zweite in Preußen erhielt Lydia Rabinowitsch-Kempner 1912 von Kaiser Wilhelm II. den Professorentitel. 1920 wurde ihr die Leitung des Bakteriologischen Instituts am Krankenhaus Moabit übertragen.
Doch mit der Machtübergabe an die Nazis war ihre Karriere vorbei. 1934 wegen ihrer jüdischen Religion zwangspensioniert und zur Aufgabe ihrer Arbeit an der Zeitschrift für Tuberkulose gezwungen, wurde Rabinowitsch-Kempner schwer krank und starb 1935. Zuvor konnte sie ihren Söhnen noch die Emigration ermöglichen. Ihr Sohn Robert Kempner wurde nach der Befreiung stellvertretender US-Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen.