Der spätere Pater wurde als Leo Braun 1899 geboren, 1926 erhielt er vom Dominikanerorden den Namen Odilo. Nur wenige Tage nach der Machtübergabe an Hitler empfing er in Nordrhein-Westfalen die Priesterweihe. Er machte sich recht früh Feinde unter den Nazis, wegen regimekritischer Bemerkungen wurde er 1937 verwarnt.
Odilo Braun zog innerhalb der Kirche mehrere antifaschistische Strippen. So organisierte er 1941 einen Ausschuss für Ordensangelegenheiten, dem eine Reihe Nazigegner angehörten. Braun setzte sich immer wieder öffentlich und intern gegen die Rassegesetze der Nazis und die Verfolgung Andersdenkender ein. Seine Moabiter Wohnung, die dem St.-Paulus-Kloster angegliedert war, ist zeitweise Treffpunkt von Oppositionellen gewesen. Während auf dem Kloster die Hakenkreuzfahne wehte, trafen sich in der Wohnung Widerstandskämpfer wie Josef Wirmer oder Alfred Delp, die später beide von den Nazis in Plötzensee hingerichtet wurden.
Odilo Braun beteiligte sich an einer Denkschrift, in der die deutschen Generäle zum militärischen Staatsstreich und zur Ausschaltung Hitlers aufgefordert wurden. Nach dem missglückten Juli-Attentat auf Hitler wurde er am 27. Oktober 1944 verhaftet und ins Gestapogefängnis in der Lehrter Straße in Berlin verbracht. Trotz Folterungen konnte kein Geständnis erzwungen werden, er wurde am 12. Februar 1945 entlassen.
Nach dem Faschismus wurde Odilo Braun bis 1948 vom Alliierten Kontrollrat als Vorsitzender von vier Entnazifizierungskommissionen eingesetzt. Er war Kuratoriumsmitglied der Stiftung Hilfswerk 20. Juli 1944, das sich für die Unterstützung von Angehörigen und Hinterbliebenen der Widerstandsbewegung einsetzte.
Braun engagierte sich insbesondere für öffentliche Gedenkveranstaltungen und initiierte Jahresgottesdienste in der ehemaligen Hinrichtungsstätte Plötzensee. Er verließ Berlin Anfang der 1960er Jahre und starb 1981 in Braunschweig.
Aus der Predigt von Pater Odilo Braun am 19. Juli 1961 in der Gedenkstätte Plötzensee:
Meine Lieben,
jedes Mal, wenn wir uns hier zum heiligen Opfer zusammenfinden, sind wir von sehr tiefen Gedanken erfüllt. Fragen wir uns heute einmal, wie es war, als wir zum ersten Mal den Namen dieser Stätte hörten, als uns das Wort Plötzensee genannt wurde. Es durfte nicht einmal laut gesprochen werden, nur verstohlen flüsterte es einer dem anderen zu.
Und als es dann immer mehr traurige und erschütternde Gewissheit geworden war, dass hier an dieser Stätte unsere Männer, Väter, Söhne, unsere Freunde und Mitstreiter ihr irdisches Leben beschlossen hatten, da war es für uns zunächst furchtbar, an diese Stätte denken zu müssen.
Nur allmählich wurde dann bekannt, was sich hier abgespielt und was sich alles zugetragen hatte. Von vielen weiß ich, was es an Überwindung gekostet hat, zum ersten Mal hierher zu kommen, als die Möglichkeit gegeben war. Wie soll man es erklären, da es rein natürlich kaum zu begreifen ist, dass, je mehr von den Geschehnissen uns bekannt wurde, umso mehr auch der Schrecken und das Grauen von uns gewichen sind und der Bewunderung, ja einem gewissen Stolz und sogar einer tiefen inneren Freude gewichen sind. Denn das eine Große und Erhebende wurde immer mehr offenbar, dass trotz äußerer Schmach und Erniedrigung, die man den Opfern dieser Stätte zufügte, sie doch die Sieger waren.
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