Wer heute auf dem Europaplatz vor dem Hauptbahnhof steht, kann sich den Zustand dieses Ortes in den 1980er Jahren kaum noch vorstellen. Der eigentliche Lehrter Bahnhof, der hier einst stand und sich in Richtung der Spree erstreckte, wurde schon in den 50er Jahren abgerissen. Aber es stand noch der alte Lehrter Stadtbahnhof, etwa auf dem Areal, das sich heute zwischen Invalidenstraße und dem Hauptbahnhof befindet.
Die S‑Bahn fuhr zu Mauerzeiten noch eine Station weiter nach Ost-Berlin, zum Bahnhof Friedrichstraße. Dort war der entsprechende Bahnsteig gegenüber dem restlichen Bahnhof streng abgetrennt, sodass West-Berliner Fahrgäste ohne Kontrollen zur unterirdischen S‑Bahn und U‑Bahn umsteigen konnten.
Allerdings durften die sogenannten Triebfahrzeugführer der S‑Bahn am Lehrter Bahnhof nicht einfach weiter nach Mitte fahren, weil sie seit 1984 Angestellte der BVG waren und nicht aufs DDR-Territorium sollten, obwohl es vom Rest des Landes abgeschirmt war. Deshalb gab es jedes mal einen Fahrerwechsel: Der S‑Bahner aus West-Berlin verließ den Führerstand und ein Mitarbeiter der DDR-Reichsbahn fuhr den Zug die letzten paar hundert Meter zur Friedrichstraße, über Todesstreifen, Mauer und Stacheldraht. Und genauso brachte er den Zug auch wieder zurück zum Lehrter Bahnhof, wo ihn ein West-Berliner BVG’ler übernahm.
Es war eine der Merkwürdigkeiten, von denen die Teilung Berlins viele hervorgebracht hat. Heute ist davon an diesem Ort nichts mehr zu sehen.
Das komplette Video mit Foto- und Filmaufnahmen der S‑Bahn in West-Berlin während der 1980er Jahre.
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