Am wunderschönen Anhalter

Wer gestern Nachmittag seine Schicht als Würfelfunk-Taxifahrer begann, steckte erstmal mitten im Chaos. Schon das Anmelden auf dem Funk klappte kaum, Aufträge konnten nicht in die Wagen geschickt werden, die Zentrale war nur sporadisch zu hören. Gegen 18 Uhr war dann alles hinüber, auf den Vermittlungskanälen unterhielten sich die Taxifahrer, sie nutzten das Durcheinander weidlich aus: Einer sang, ein anderer ließ uns seine anatolische Musik mithören, während wieder ein anderer Taxiwitze erzählte. Zwischendurch schaffte es die Zentrale immer wieder mal, bis nach unten durchzukommen, aber erst nach längerer Zeit war sie wieder richtig zu hören. Allerdings klang sie recht verzweifelt, ob der Chaos-Kollegen und des noch immer nicht funktionierenden Systems.
Als die Vermittlung dann wenigstens auf Sprache funktionierte (statt elektronisch), wurde immer wieder der Anhalter Bahnhof angesprochen: „Wer steht an schönen Anhalter?“. „Der wunderschöne Anhalter Bahnhof.“ Wir dachten uns erst nichts dabei, wunderten uns nur etwas, ein Kollege machte Witze über den Lokalpatriotismus des Vermittlers. Denn man weiß ja, dass die Würfelfunkzentrale in der Stresemannstraße am Anhalter Bahnhof liegt.
Erst nachdem es um 22 Uhr den Schichtwechsel gegeben hat und der nächste Kollege wieder den „schönen Anhalter“ ausrief, wurden wir stutzig. Mir dämmerte langsam, was geschehen war. Eine Kollegin fragte dann nach und so erfuhren wir die Lösung: Die Zentrale befindet sich jetzt nicht mehr in der Stresemannstraße, sondern ist nach Friedrichshain umgezogen. Deshalb auch die technischen Probleme am Nachmittag.
Eigentlich ist solch ein Umzug nicht Besonderes, die Funkzentrale hatte erst vor ein paar Jahren einen Umzug von Schöneberg nach Kreuzberg hingelegt. Diesmal steckte aber mehr dahinter. Im vergangenen Jahr schluckte die als „Bärchenfunk“ bekannte Firma „TaxiFunk TZB“ den Würfelfunk, manche bezeichneten es auch als feindliche Übernahme. Als besonders mies empfanden viele die Aktion, weil sie genau in der Zeit stattfand, als die beiden Vorstände der Würfelfunk AG im Urlaub waren. Beide hatten in den Jahren zuvor den einstigen „Krawattenfunk“ zu einer großen und sympathischen Taxi-Funkgesellschaft ausgebaut.
Schon Ende 2006 gab es Gerüchte, dass die beiden Firmen zusammengelegt werden sollen, auch wenn offiziell immer das Gegenteil behauptet wurde. Mit dem überraschenden Umzug des Würfels in die Räume des Bärchenfunks werden nun Fakten geschaffen, die auch eine baldige Zusammenlegung des Funkbetriebs erwarten lassen. Erfahrungen damit sind ja vorhanden: Ende der neunziger Jahre verleibte sich der damalige Spreefunk (zu DDR-Zeiten noch VEB Taxi Berlin) den Ackermann-Funk ein, aus beiden wurde schließlich der Bärchenfunk. Der ungewöhnliche Protest der Vermittler zeigt, dass die Angst vor der Vereinnahmung durch den einstigen Staats-Taxibetrieb nicht unbegründet ist.
Auf der Straße mach sich derweil Ratlosigkeit breit, seit bekannt wurde, dass einer der beiden Würfel-Inhaber plötzlich Mitarbeiter des Bärchenfunks ist. Was wird da für ein Spiel gespielt?

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