Der ULAP

1879 begann der Aufbau eines Messe­geländes westlich des alten Berlins. Das Gelände zwischen Lehrter Bahnhof, Invalidenstraße und Alt-Moabit ist aufgrund seiner markanten dreieckigen Form auf Stadtplänen gut zu erkennen, es wird jedoch vom S-Bahn-Viadukt geteilt. Die ersten Gebäude wurden noch aus Holz errichtet. Nachdem sie 1882 durch ein Feuer vernichtet wurden, entstand ein Palast aus Stahl und Glas als Zentrum des „Universum Landesausstellungsparks“, kurz ULAP. Der Neubau wurde im Mai 1883 mit der Eröffnung der Deutschen Hygiene-Ausstellung in Betrieb genommen. Die Ausstellungen fanden auf dem umliegenden Gelände, dem Glaspalast sowie in unterirdischen Räumen unter dem Haus und unter der Brücke der Straße Alt-Moabit statt. Mit der Eröffnung des Ausstellungsgeländes am Funkturm wurde der ULAP überflüssig. Hier entstand 1925 ein Vergnügungspark.

Im Februar 1933 übernahm die SA ein Teil des Geländes und richtete unter dem Restaurant im Glaspalast ein sogenannten „wildes KZ“ ein. Es gibt zahlreiche Berichte von Antifaschisten, die hierher verschleppt und teilweise über Monate gefoltert wurden. „Dort feierte der Sadismus seine Orgien, und man sah, wie die Gefangenen mit blutunterlaufenen Striemen auf dem Rücken aus den Folterkellern herausgebracht wurden“ (Werner Rosenstock). Kurt Fischer, Vorsitzender der Sozialistischen Arbeiterjugend in Moabit: „Nach den März-Wahlen 1933 wurde eine große Gruppe aktiver Sozialdemokraten der SPD des Bezirks Mitte zum ULAP-Gelände verschleppt und dort misshandelt.“ Bald verließen die Gefangenen das Gelände nur noch als Leiche oder wurden der Gestapo überführt.
Während in den Keller gefoltert und getötet wurde, freuten sich die Berliner ab 1936 im Glaspalast über die „Deutsche Luftfahrt-Sammlung“.

Das ULAP-Gelände war bis zum Ende der Nazi-Herrschaft als Folterstätte in Betrieb. Noch in der Nacht zum 23. April 1945 wurden vom nahen Gefängnis in der Lehrter Straße, das u.a. von der Gestapo genutzt wurde, mehrere Häftlinge zum ULAP gebracht. Den Gefangenen war gesagt worden, man wolle sie vom Lehrter Bahnhof aus verlegen. Neben der Bahntrasse wurden sie aufgestellt und durch Genickschuss ermordet. Zu den Opfern gehörten Christen der Bekennenden Kirche und des Kreisauer Kreises, Mitverschwörer des 20. Juli sowie Mitglieder einer Oppositionsgruppe in der Abwehr. Einer der damals Getöteten war Albrecht Haushofer, Schriftsteller und Oppositioneller im Auswärtigen Amt. Er verfasste noch im Gefängnis heimlich 80 Gedichte, die er „Moabiter Sonette“ nannte. In ihnen beschrieb seine Situation und die seiner Mitgefangenen, die Gefangenschaft und den jederzeit drohenden Tod. Bei seiner Ermordung hielt Haushofer ein Heft mit den Sonetten in der Hand, sie wurden gefunden und konnten 1946 veröffentlicht werden.

Nach dem Krieg war vom ULAP nicht mehr viel übrig. Der Glaspalast war von Bomben zerstört worden, nur die breite Treppe gibt es noch, sie verwitterte Jahrzehnte lang. Der westliche Teil beherbergt seit den 70er Jahren die Staatsanwaltschaft. Das Gelände östlich der S-Bahn lag während der Mauerjahre brach, es wurde teilweise von Gartenbaufirmen als Abstellplatz genutzt. Der Teil direkt an der Moltkebrücke war tagsüber Abenteuerplatz für Kinder, nachts Treffpunkt für Freier und Stricher. Mit dem Bau des neuen Hauptbahnhofs wurde auch das ULAP-Gelände geschliffen. Es entstand ein Erinnerungspark, der über die örtliche Geschichte nicht wirklich etwas aussagt.

„Es gibt wohl Zeiten, die der Irrsinn lenkt.
Dann sind’s die besten Köpfe, die man henkt.“
(Aus den Moabiter Sonetten)

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3 Kommentare

  1. * Ein ‚Erinnerungspark‘ hätte es werden müssen und können, eine preisgekrönte(!), geschichtslose Langeweile ist es geworden,
    Fußgängerabkürzung, Hundeauslauf und Sitzobjekte in Überzahl, auf denen niemand sitzen will, wozu auch? Dafür wurden die zum Teil noch unbeschädigt vorhandenen Fundamente und Außenmauern des Ausstellungspavillons – insbesondere des gläsernen Hauptturms – unter größter technischer Anstrengung entsorgt, statt sie zu erhalten. Sie hätten dem Besucher eine bessere Orientierung als die jetzige Ödnis bieten können.
    * Die zentrale große Treppe auf das Gelände entging zwar den Bomben des Krieges, nicht aber dem Verschönerungswahn des belobigten Architekten. Ein Viertel der historischen Breite wurde
    abgetragen und durch schicken Beton ersetzt.
    * Das Häuschen auf der anderen Sraßenseite, heute Restaurant, hatte nie etwas mit dem ULAP zu tun.
    MfG
    (P.S.: der Verfasser kennt sich aus und hat die Umgestaltung des Geländes vor Ort miterlebt und dokumentiert)

  2. Die ULAP-Erläuterung von Aro Kuhrt ist sehr informativ. Allerdings sagt mir der polemisch angelegte Satz :“Während in den Keller gefoltert
    und getötet wurde, freiten sich die Berliner ab 1936 im Glaspalast über die „Deutsche Luftfahrtsammlung““.
    Mit einer solchen Bemerkung sugge-riert Aro Kuhrt, dass erstens zeit-gleich mit der Ausstellung im Keller
    die SA gewütet hat, was nicht stimmt und vor allem er erweckt den Ein-druck, die Berliner hätten von dem Terror im Keller des Restaurants gewusst und dennoch fröhlich die Ausstellung genossen. So kann man auch blanken Hass gegen die eigene Elterngeneration in Szene setzen.

  3. Der Satz ist nicht nur polemisch gemeint, sondern entspricht doch den Tatsachen.
    Und dass die SA-Treffpunkte der Bevölkerung verborgen blieben, zumal an einem solch einem belebten Ort, ist wohl nicht glaubhaft.

    Und was soll Ihre Behauptung vom „Hass gegen die eigene Elterngeneration“?

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