In der Reichshauptstadt Berlin, die während der NS-Zeit ein zentraler Rüstungsstandort war, wurden während des Zweiten Weltkriegs über 500.000 Menschen durch Zwangsarbeit ausgebeutet. Dies entsprach etwa 15 Prozent der Bevölkerung und ca. 20 Prozent aller Beschäftigten in Berlin. Die Zwangsarbeiter waren zum einen deutsche Juden sowie Gefangene, vor allem aus Polen, der Sowjetunion und vom Balkan. Aber auch verschleppte Zivilisten aus den Niederlanden, Frankreich, Polen und zahlreichen anderen Ländern. Die meisten von ihnen wurden entweder gar nicht bezahlt oder mit wenigen Reichsmark abgespeist.
Auch in Moabit wurden ZwangsarbeiterInnen eingesetzt. An mindestens 35 Orten im ganzen Stadtteil waren sie untergebracht oder mussten dort arbeiten, z.B. in den Fabriken von ADREMA in der Alt-Moabit 62, AEG in der Bremer Straße 72 (87 Arbeiter) oder im Röhrenwerk Telefunken in der Wiebestraße 28 (268).
Viele bis heute bekannte Unternehmen und zahlreiche Adressen sind mit dem Elend der Zwangsarbeiter verbunden. Die Bewag (Alt-Moabit 14) hatte über 300 in ihrem Betrieb, gegenüber in der Nummer 138 beutete die Baufirma Polensky & Zöllner 90 Zwangsarbeiter aus. In der Stromstraße 36 (Siemens Schuckertwerke): 40 Arbeiter. Weitere 180 in der Wiclefstraße 24. In der Huttenstraße 17–20: 440 Zwangsarbeiter.
Untergebracht waren viele von ihnen auf dem Gelände des heutigen Großmarkts Beusselstraße. Allein im sogenannte Russenlager von Telefunken und der Gebauerwiese von Siemens & Halske waren 1.700 Menschen eingesperrt. Ein weiteres Lager lag auf einem Grundstück Sickingenstraße / Wiebestraße. Wieviel im Kriegsgefangenenlager Alt-Moabit 69 an der Gotzkowskystraße lebten, ist nicht bekannt.
Klar ist, dass nicht nur die Deportationen der Jüdinnen und Juden vor aller Augen passierte, sondern auch, dass die Zwangsarbeiterinnen und ‑arbeiter für alle offen ausgebeutet wurden. Die Lager waren bekannt und die Menschen selber arbeiteten unübersehbar in den großen Betrieben. Auf Luftaufnahmen aus der Zeit sind an manchen Lagern sogenannte Splittergräben erkennbar — völlig unzureichende Schutzmaßnahmen gegen Fliegerbomben. Einen Schutz gab es für die Zwangsarbeiter also nicht.
Dokumentationszentrum Zwangsarbeit
Veranstaltung zu Zwangsarbeit in Mitte und Moabit, 19. Mai 2022 im Mitte Museum:
Foto: Bundesarchiv, Bild 102–16504, CC-BY-SA 3.0