
Die Justizvollzugsanstalt Moabit gehört zu den größeren Gefängnissen in Deutschland. Über 900 Häftlinge warten hier entweder auf ihren Strafprozess oder sind bereits zu Strafen unter zwei Jahren verurteilt. Im Jahr 1881 wurde das Gefängnis mit seinen fünfstrahligen, sternförmig angeordneten Flügeln eröffnet, damals war es eine der modernsten Strafanstalten Deutschlands. Statt Massenzellen wurden – und werden – die Gefangenen hier in Einzelzellen eingesperrt. Das bedeutet, dass die einzelnen Hafträume relativ klein sind. Eine andere Nutzung als ein Gefängnis ist damit kaum vorstellbar.
Vor dieser Situation standen auch Professor Wolfgang Lorch von der Technischen Universität Darmstadt und seine Studierenden des Fachbereichs Architektur. Sie stellten sich die Aufgabe, ein neues Konzept für das zentrale Gebäude sowie das umliegende Gelände zu entwickeln. Nicht mehr als Gefängnis, sondern als Zentrum genossenschaftlichen Wohnens.
Nach einer Exkursion im vergangenen Herbst machten sich die Studierenden an die Arbeit. 21 von ihnen präsentierten ihre Entwürfe, die nun in der Ausstellung „Moabiter*innen“ im zentralen Bereich des JVA-Gebäudes gezeigt wurden. Genau dort, wo die fünf Flügel der Anlage zusammenkommen, nach mehreren Aufschlüssen offensichtlich sehr schwerer Türen und Gitter, bewacht von zahlreichen Justizbeamten. Dort ging eine Vertreterin der JVA auf den Ort und seine Geschichte ein. Sie legte auch Wert auf die Feststellung, dass es derzeit nicht geplant ist, das Untersuchungsgefängnis an einen anderen Ort zu verlegen. Die Vorschläge der Darmstädter Studierenden sind also keine Vorarbeiten für eine geplante Umnutzung der JVA.
Professor Lorch wies darauf hin, dass das Ensemble zudem unter Denkmalschutz stehe und deshalb kein Abriss möglich wäre, um z.B. neue Wohngebäude zu errichten.
Die in der Ausstellung vorgestellten Arbeiten gehen alle davon aus, dass es hier um genossenschaftliches Wohnen gehe solle. Die Grundsubstanz des 5‑flügeligen Gebäudes soll erhalten bleiben, aber nach außen hin geöffnet werden. Praktisch alle Modelle sehen den Abriss der Gefängnismauer vor. Während die meisten Vorschläge jedoch eine neue Blockrandbebauung beinhalten, präferieren andere stattdessen eine komplette Öffnung. Ein interessanter Vorschlag ist, die Mauer durch einen Kolonnadengang zu ersetzen, der die bisherigen Grenzen des Gefängnisses markiert.
Das zentrale Gebäude wird in fast allen Modellen mit Balkonen versehen, teilweise über die gesamte Breite, in einem Entwurf auch komplett verglast. Es werden Brücken zum vorgelagerten, derzeitigen Haftkrankenhaus vorgeschlagen, in mehreren Vorschlägen werden die Gebäude noch aufgestockt.
Einige der Studierenden möchten die Fassaden weit öffnen, viel Glas über die gesamte Etagenhöhe, anstatt der jetzigen, relativ kleinen Fenster. Ein Student arbeitet viel mit Gittern, vor den Balkonen, über dem riesigen Gebäude, sogar über einem der Höfe. Das spielt natürlich sehr auf die jetzige Funktion an, denn Gefängnis und Gitter gehören eng zusammen.
Fast allen ist gemein, dass der Raum zwischen den Flügeln gemeinschaftlich genutzt werden soll, als Grünflächen, für Freizeitgestaltung, als Café-Außenbereiche. Auffällig ist, dass praktisch alle Vorschläge für die Gestaltung des Innern der Gebäude große, helle Räume vorsehen. Dies steht im Gegensatz zu den heute sehr beengten, schmalen und niedrigen Räumen. An dieser Stelle müsste der Denkmalschutz sicher sehr weitreichende Zugeständnisse machen, um den Abriss von Wänden und Decken zu ermöglichen.
Professor Lorch verwies auf ein ähnliches Projekt in Hamburg, wo genau dies geschafft wurde.
Letztendlich sind die Entwürfe der TU-Studierenden aus Darmstadt bisher nur Trockenübungen. Ob das Untersuchungsgefängnis, das einst im 19. Jahrhundert draußen vor den Stadttoren errichtet wurde, wirklich mal umzieht, ist derzeit völlig unklar. Natürlich steht es auf heute sehr wertvollem, innerstädtischem Boden, der als Wohnviertel sicher besser genutzt werden kann. 2013 wurde schon mal eine Berliner Haftanstalt außerhalb der Stadt eröffnet. Die JVA Heidering, für über 600 männliche Gefangene, liegt südlich von Berlin in Brandenburg und soll vor allem das Gefängnis Tegel entlasten. Vielleicht ist das ja längerfristig auch für das Untersuchungsgefängnis eine Alternative.
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