
Was antwortet man eigentlich einem Kind, wenn es fragt, was das sogenannte “N‑Wort” bedeutet? Natürlich kann man ihm sagen, dass es für einen Begriff steht, der Menschen schwarzer Hautfarbe diskriminiert. Doch dann will es natürlich wissen, wie das Wort denn lautet.
Der woke und aufgeklärte Pädagoge von heute wird nun rumeiern und alles tun, damit ihm nicht das Wort “Neger” über die Lippen kommt. Damit wird er die Neugier des Kindes aber noch anheizen und letztendlich nicht befriedigen. Denn gerade Verbotenes ist ja besonders spannend. Das Gleiche gilt zum Beispiel für das “Z‑Wort” oder das “I‑Wort” sowie noch ein paar mehr.
Als Kind lernte ich, dass man mir den Mund mit Seife auswaschen wird, wenn ich bestimmte Dinge sage. Genauso kommt es mir heute vor. Selbstverständlich soll man Menschen nicht diskriminieren, egal ob aus rassistischen Gründen, aufgrund ihres Geschlechts oder der sexuellen Einstellung. Das sollte gesellschaftlicher Konsens sein und meiner Meinung nach ist es das größtenteils auch.
Doch seit einigen Jahren gibt es eine Bewegung, die selbsternannt dermaßen “politisch korrekt” ist, dass sie nicht nur die Beleidigung der betroffenen Menschen beklagt, sondern Worte wie Neger, Zigeuner, Indianer oder Eskimo verbieten will. Und zwar unabhängig davon, ob diese als Herabwürdigung gebraucht werden. Nicht mehr die Beleidigung, sondern allein die Erwähnung werden bekämpft, unabhängig vom Content, in dem sie erfolgt. Das erinnert fatal an George Orwells Roman “1984”:
“Das ganze gedankliche Klima wird ein anderes sein. Genau genommen wird es gar keine Gedanken mehr geben, wie wir sie heute verstehen. Die richtige Gesinnung zu haben, bedeutet, dass man nicht denkt, nicht zu denken braucht.”
Besonders in der Linken ist diese Einstellung weit verbreitet. Es geht offensichtlich um Umerziehung und nicht darum, Menschen vor Beleidigung oder Verfolgung zu schützen. Im Gegenteil: Wenn jemand aus Unwissen über das Neusprech z.B. von “Zigeunern” oder “Indianern” spricht, wird er angepöbelt. Was früher antiautoritär war, ist mittlerweile einer Blockwartmentalität gewichen. Die Nutzung der Begriffe wird verurteilt, ohne zu hinterfragen, ob da überhaupt rassistisches Denken die Ursache ist. Die Menschen haben sich gefälligst der woken Sprache anzupassen, sonst…?
“Bis 2050 – wahrscheinlich sogar früher – wird alles tatsächliche Wissen von Altsprech verschwunden sein.”
Interessant ist, dass sich die Verfechter des angeblichen Antirassismus der gleichen Argumentation bedienen, wie die extreme Rechte. Da ist viel von “Identität” die Rede, auch was z.B. die sexuelle oder geschlechtliche Einstellung betrifft. Nicht zufällig nennt sich eine der wichtigsten rechtsextremistischen Bewegungen “Die Identitären”.
Erschreckend sind die Parallelen auch in der Kultur: Wenn Künstler oder eine Band aus Deutschland heute Reggae oder afrikanische Musik macht, protestieren gleich diejenigen, die von “kultureller Aneignung” schwadronieren. Bis 1945 wachte die Reichskulturkammer darüber, dass keine “undeutsche” Musik gespielt werden darf. Heute sind es die angeblichen Antirassisten.
Die Mechanismen sind nicht so unterschiedlich, wie man zuerst denkt. Ob (verkürzt) Nazis oder Linke, beide Bewegungen wollen der Gesellschaft die eigenen Vorstellungen aufzwingen, notfalls oft auch mit Gewalt. Mit freiheitlich, selbstbestimmt oder antiautoritär hat das nichts mehr zu tun.
“Die endgültige Form des Neusprech sollte es unmöglich machen, ein abweichendes Argument zu formulieren, selbst wenn man es wollte.”
Leider geht es oft nicht um das tatsächliche Denken hinter der Benennung eines Menschen, sondern um die Form. Vor Jahren hatte ich einen dunkelhäutigen Freund, der sich selbst “Krossi” nannte, von Schokokrossi. Wenn er oder seine Freunde dieses Wort benutzte, war das natürlich was anderes, als wenn ein Fremder ihn so bezeichnet hat. Nicht die Worte sind das Problem, sondern das dahinter stehende Denken. “Du Jude” oder “du Schwuler” können sowohl als Beleidigung gebraucht werden, oder aber als einfache Feststellung einer Tatsache. In den 1980ern haben viele das Schimpfwort “Schwuler” selbst für sich übernommen und es den Sexisten damit aus der Hand genommen. Den gleichen Weg gehen derzeit Frauen, die sich selbst als “Fotzen” bezeichnen, um das Wort den beleidigenden Charakter zu nehmen. Ähnlich wie es schwarze US-Amerikaner oft machen, wenn sie sich selber “Nigger” nennen.
Nicht das Wort, sondern das Denken ist das Problem. Wer die Wörter verbieten will, handelt autoritär. Er (oder sie) überzeugt nicht, sondern bedroht und diffamiert andere Menschen. Und wenn man auf Nachfrage nicht mal mehr erklären darf, wofür die verbotenen Wörter eigentlich stehen, wird es endgültig lächerlich. Das ist nicht antirassistisch, sondern nur dumm.
Meine Tochter (11 Jahre alt) kam mit genau dieser Frage zu mir. Und tatsächlich habe auch ich “rumgeeiert”, wie du es schreibst. Aber dann lachte sie und meinte, sie wüsste die Antwort schon: “Nazi” heißt das!