Jäger des verlorenen Schatzes

Die Suche nach dem perfek­ten Fahr­gast ist eher mühsam und lang­wie­rig. Das Eich­hörn­chen kann sich davon nicht ernäh­ren und auch uns Taxi­fah­rern fällt es schwer. Also muss man die Ansprü­che runter­schrau­ben. Es ist die allnächt­li­che Pirsch, die das Kutscher­le­ben schwer, aber inter­es­sant macht.
Man hat als Taxi­fah­rer zwei Möglich­kei­ten. Entwe­der stellt man sich an eine Halte und wartet auf einen Funk­auf­trag oder darauf, dass jemand einsteigt. Oder man fährt auf gut Glück durch die Gegend, auf der Jagd nach Winkern. Wofür man sich entschei­det hängt von mehre­ren Fakto­ren ab. So kann ein voller Halte­platz bedeu­ten, dass hier nichts läuft. Es kann aber auch sein, dass hier so viele Taxen stehen, weil es stän­dig neue Fahr­gäste gibt. Man merkt das natür­lich inner­halb weni­ger Minu­ten. Ich habe aber auch schon erlebt, dass ich nachts eine Vorbe­stel­lung zu einem Thea­ter hatte, einer der Schau­spie­ler fährt immer mit dem Taxi nach Hause. Weil er manch­mal früher raus­kommt, war ich schon zehn Minu­ten vor dem Termin da. Als ich dann mit ihm losfuhr sah ich, dass hinter mir vier oder fünf freie Taxis warte­ten. Die haben gedacht, dass es dort noch was zu holen gibt, weil ja schon ein Wagen da stand.
Es ist güns­tig, wenn man mit Voraus­sicht handelt. Fahre ich jeman­den zum Thea­ter, Konzert oder einer Veran­stal­tung, frage ich oft, ob er wisse, wann dort wieder Schluss sei. Bei manchen Thea­tern kennt man die Endzei­ten nach einer Weile, vor allem, wenn über längere Zeit immer das glei­che Stück gespielt wird.
Ein nach­mit­täg­li­cher Blick in die Zeitung ist auch nicht schlecht, um zu wissen, wo größere Veran­stal­tun­gen sind, Premie­ren­par­tys, Sommer­feste und Ausstel­lungs­er­öff­nun­gen sind lohnende Ziele. Wenn die Poli­tik feiert, kommen oft viele in die Landes­ver­tre­tun­gen, das verspricht gute Geschäfte. Die Abschieds­feier des Bundes­prä­si­den­ten Köhler hat mir jedoch nur magere 8 Euro einge­bracht.
Wirk­lich lohnend sind die großen Messen. Grüne Woche, ITB und Funk­aus­stel­lung sind die Klas­si­ker, auch die Fashion Week und ihr ganzes Umfeld verbes­sern die Umsätze. Aber auch hier muss man zur rich­ti­gen Zeit vor Ort sein. Mittags am Messe­ge­lände oder um 23 Uhr an der Mode­messe bringt nicht viel. So wie man sich nicht schon um zehn Uhr abends vor eine Disco stel­len braucht, dort wird’s meist erst nach Mitter­nacht inter­es­sant.
Ab und zu biete ich Fahr­gäs­ten, die ich zu einer Veran­stal­tung fahre an, sie später wieder zurück­zu­brin­gen. Das klappt manch­mal. Leider selten, wie auch die Fahr­ten zu Sexclubs. Wir Taxi­fah­rer freuen uns, wenn wir einem Kunden einen bestimm­ten Club empfeh­len können. Denn manche vergü­ten uns die Vermitt­lung, voraus­ge­setzt, dass der Herr dort bleibt.
Beliebt sind bei mir lange Fahr­ten auf kurzen Stre­cken. Erst vor eini­gen Tagen fuhr ich ein Pärchen zum Einkau­fen. Alle paar hundert Meter gingen sie in einen ande­ren Laden, während der Warte­zeit lief das Taxa­me­ter fröh­lich weiter. Nach 2–3 Kilo­me­tern stan­den 31 Euro auf der Uhr, dann ging’s zurück nach Hause.
Einige Jahre ist es schon her, da stieg mir am Kott­bus­ser Tor ein unan­ge­neh­mer Zeit­ge­nosse ins Auto. Er nannte meine Konzes­si­ons­num­mer, wohl um zu zeigen, dass er sie sich gemerkt hat. Dann reichte er mir 100 Euro und wollte zu einer Kneipe in der Nähe. Dort ange­kom­men sollte ich warten, kurz danach fuhren wir zu den nächs­ten Statio­nen, mal einem Strip­lo­kal, einer Billard­kneipe, einem Bordell. Zum Schluss hatten wir etli­che Adres­sen in Kreuz­berg und Neukölln abge­fah­ren, vor einem sollte ich sogar den Motor laufen lassen, damit wir notfalls schnell abhauen können. Am Ende waren wir bei 90 Euro ange­langt, den Rest bekam ich als Trink­geld. Zum Abschied fragte mich der Fahr­gast, ob ich Inter­esse hätte, eine Pistole zu kaufen. Nein, hatte ich nicht. Er verab­schie­dete sich aber brav und zog ab.

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2 Kommentare

  1. Inter­es­sant, so ein Einblick in die Gedan­ken­welt eines Nacht­fah­rers. Das ist so ähnlich wie bei Tagfah­rern, nur halt mit ande­ren Örtlich­kei­ten. Aber auch tags­über kann es von Vorteil sein, sich über aktu­elle Veran­stal­tun­gen auf dem Laufen­den zu halten. Ich habe mir z.B. die laufen­den Programme der gängi­gen Clubs auf dem Rech­ner abge­spei­chert. Obwohl mir die Namen der DJs ja gar nichts sagen — je länger die Liste des soge­nann­ten Line-Ups, desto eher kann man dann auch morgens um 10 Uhr mal vorbei­schauen.
    Aber was mir ein Nacht­fah­rer mal erzählt hat: Es kann sich durch­aus mal lohnen, um 22 Uhr vor einem Club/Disco zu warten. Um die, die nicht rein­kom­men, zur nächs­ten Loca­tion zu fahren. ;-)

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