Rauch oder Nichtrauch?

Das war ja abzu­se­hen, dass das gene­relle Rauch­ver­bot, das seit Sams­tag in Deutsch­lands öffent­li­chen Verkehrs­mit­teln gilt, die Menschen pola­ri­siert. Auch in Taxis darf seit dem 1. Septem­ber nicht mehr gequalmt werden, auch der Fahrer muss seine Ziga­ret­ten drau­ßen genie­ßen, selbst wenn kein Fahr­gast drin sitzt.

Das Ganze ist zum Schutz der Nicht­rau­cher beschlos­sen worden und da ich selber seit meinem 13. Lebens­jahr nicht mehr rauche, leide ich auch nicht darun­ter. Trotz­dem finde ich das Verbot nicht gut, schließ­lich konnte sich bisher jeder Fahr­gast spezi­ell auch ein Nicht­rau­cher-Taxi aussu­chen, wenn er wollte — oder eben einen Raucher­wa­gen. Doch in unse­rem Land wird nun mal gerne verbo­ten und so gibt es eben dieses gene­relle Rauch­ver­bot in Taxen.
Natür­lich ist das im Moment auch über­all Thema. Nacht­schicht, ca. 19 Uhr, an der Messe Süd stei­gen vier Fran­zo­sen ins Taxi, wollen zum Hotel Berlin. “Darf man rauchen?” — “Nein, das ist in Taxis nicht mehr erlaubt”. Sie disku­tie­ren auf fran­zö­sisch, ich verstehe kein Wort. Am Lützow­platz ange­kom­men sagt einer, dass er das Verbot sehr gut findet — und zündet sich drau­ßen eine Ziga­rette an.
Am Nolli steigt ein Mann ein, auch er fragt, ob dies ein Raucher-Taxi ist. Und er regt sich auf, als ich ihm sage, dass in diesem Wagen nicht geraucht werden darf, auch schon vor dem Verbot. Plötz­lich sind alle Deut­schen into­le­rant und Büro­kra­ten, ich fühle mich in eine Ecke gedrängt, in der ich mich nicht sehen will. Doch dann sagt er, dass er schon seit über zehn Jahren nicht mehr raucht, aber dass ihn das Verbot nervt. Ich kann ihm nur zustim­men.
Etwa gegen 23 Uhr an der Halte Hotel Hilton: Vor mir steht ein Taxi, sein Fahrer sitzt drin und raucht bei offe­nem Fens­ter. Er disku­tiert mit einem Kolle­gen, der ihn darauf ange­spro­chen hatte. Der Streit ist recht laut, ich verstehe jedes Wort. Der rauchende Kutscher erregt sich über den ande­ren Kolle­gen, als ob dieser das Verbot erlas­sen hätte. Ich bin froh, nicht bei ihm als Fahr­gast zu sitzen.
Morgens um 2 winkt mich in der Kant­straße eine Frau, will über die Auto­bahn nach Siemens­stadt und fragt, ob sie rauchen darf. Ich verneine, aber als wir auf der Auto­bahn sind, holt sie ihre Ziga­ret­ten raus und will sich eine anzün­den. Ich weise sie noch­mal auf das Rauch­ver­bot hin und dass dies ein Nicht­rau­cher-Taxi ist. Darauf­hin giftet sie mich an, als hätte ich ihr einen unsitt­li­chen Antrag gemacht.
In der Vergan­gen­heit habe ich das mit dem nicht/rauchen nie so extrem erlebt wie heute. Das Verbot scheint viele Leute zu provo­zie­ren, anschei­nend fühlen sie sich in ihrem Selbst­be­stim­mungs­recht beschränkt. Ich habe in dieser einen Schicht soviel Diskus­sio­nen darüber gehabt, wie sonst in einem halben Jahr. Hoffent­lich beru­higt sich das bald wieder.

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2 Kommentare

  1. > Doch in unse­rem Land wird nun mal gerne verbo­ten
    Mit Verlaub, wir sind in der EU Nach­züg­ler, u.a. die so libe­ra­len und lebens­fro­hen Iren und Italie­ner waren früher dran — übri­gens ohne viel Geme­cker: “Freie Fahrt für freie Bürger” oder Rauchen ohne Gren­zen schei­nen dage­gen spezi­fisch teuto­ni­sche Themen zu sein. In den USA kann wer will unifor­miert mit Hitler­gruß herum­lau­fen, das 5th Amend­ment schützt ihn, das gilt auch für Isla­mis­ten oder Marxis­ten. Trotz dieses teils schon anar­chisch ande­ren Verständ­nis von indi­vi­du­el­ler Frei­heit mopst sich kaum jemand, wenn man erwar­tet, dass er raucht, ohne andere zu beein­träch­ti­gen.
    Die Inan­spruch­nahme des Rechts, im öffent­li­chen Raum zu rauchen, auch wenn es andere stört und krank macht, und der Glaube, dies sei Ausdruck von Indi­vi­dua­lis­mus und persön­li­cher Frei­heit, sind m.E. Ausdruck von Profil­neu­ro­sen. Dass Marl­boro eben diesen Glau­ben dem kruden, und z.B. Rothändle dem mehr oder minder intel­lek­tu­el­lem Publi­kum seit Jahren einbla­sen, macht ihn als Argu­ment nicht über­zeu­gen­der.
    Wer ohne Profil­neu­rose auskommt, geht vor die Tür, raucht zu Hause oder reißt sich zusam­men, wie andere Erwach­sene auch — was aller­dings jedem Sucht­ver­hal­ten entge­gen­steht — und da liegt der ‑alles andere als souve­räne- Hase im Pfef­fer.

  2. Vor vielen Jahren habe ich auch stark geraucht und dann aufge­hört und nie wieder ange­fan­gen. Wenn ich so nach­denke, weiß ich nicht weshalb ich damals geraucht habe Sicher nur eine Ange­wohn­heit. Besser gefühlt habe ich mich nicht.

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