Geheimdienste in der Frontstadt

Der Kalte Krieg wurde besonders in Berlin mit vielen geheimdienstlichen Mitteln geführt. Hier prallten die beiden Systeme unmittelbar zusammen. Wohl nirgends sonst auf der Welt fand man so viele Spione, Überläufer, Verräter, Abhörspezialisten und sogar Menschenräuber in einer einzigen Stadt. Die Geheimdienste der vier Alliierten, der DDR sowie der Bundesrepublik waren hier präsent, dazu auch die von verbündeten Staaten, also aus der Nato und dem Warschauer Pakt. Dabei gab es zwei große Blöcke: Die östlichen Dienste, dominiert vom russischen KGB und dem deutschen Ministerium für Staatssicherheit. Und die westlichen, die aus US-amerikanischen, englischen und französischen Geheimdiensten bestanden, sowie dem Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst.

Die Geheimdienste der West-Alliierten waren eng mit der militärischen Struktur verflochten. Sie arbeiteten im Bereich Aufklärung zusammen, Daten und Analysen wurden regelmäßig ausgetauscht. Selbst von sowjetischen  oder DDR-Stellen abgeworbene Informanten wurden gemeinsam genutzt und ausgewertet. Zuständig dafür war im „Alliierten Stab Berlin“ die sogenannte G2 (Abteilung für Sicherheit, Absicherung und Aufklärung), die immer von einem US-amerikanischen Oberstleutnant geleitet wurde. Gemeinsam betrieb man mehrere Gremien, wie zur Absicherung gegen Spionagemaßnahmen oder zur gemeinsamen Einschätzung und Reaktionen im Krisenfall. Vor allem aber die Nachrichtengewinnung war ein gemeinsames Anliegen, auch um doppelte oder dreifache Arbeit zu vermeiden und sich nicht in die Quere zu kommen.
Dagegen hing der Bundesnachrichtendienst (der legal in West-Berlin eigentlich gar nicht arbeiten durfte) und der Landesverfassungsschutz an der Leine der Alliierten. Eigene Recherchen durften sie zwar vornehmen, sie mussten jedoch zwingend mit den Besatzerdiensten geteilt werden. Vor allem der CIA arbeitete mit dem VS zusammen, sie waren sogar räumlich eng verflochten. Zahlreiche Erkenntnisse der Amerikaner wurden dem Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt. Allerdings durften die Deutschen keine wichtigen Schritte gegen den Willen der West-Alliierten oder ohne deren Wissen tun. Das betraf vor allem die Spionage in der DDR.
Ein noch größeres Abhängigkeitsverhältnis hatte die Ost-Berliner Staatssicherheit zu ihrem großen Bruder, dem sowjetischen KGB. Dieser hatte die erste Stasi-Generation sogar in Moskau ausgebildet und nutzte die deutschen „Freunde“ vor allem als Handlanger. Diese arbeiteten bald genauso erfolgreich wie die Russen.
Die deutschen Geheimdienste waren im Kalten Krieg also vor allem Hiwis der Alliierten. Anders als in der Bundesrepublik galt in Berlin noch bis 1990 das Besatzungsstatut, so dass selbst hohe Verwaltungsposten von den Alliierten abgesegnet werden mussten. Dass solche sensible Strukturen wie ein Geheimdienst erst recht von ihnen kontrolliert wurden, war damals selbstverständlich.

Hier ein Überblick über die in Berlin aktiven Geheimdienste (Organisationen befreundeter Staaten, wie Bulgarien, Rumänien oder Belgien werden nicht berücksichtigt):

Die meisten westlichen Geheimdienstler waren die des Intelligence and Security Command (INSCOM) sowie des CIA der US-Amerikaner. Sie nutzen ein Gebäude auf dem Gelände des US-Konsulats in der Clayallee in Zehlendorf sowie im Flughafen Tempelhof.

Der Französische Geheimdienst DGSE (bis 1982: SDECE) unterstand direkt dem französischen Stadtkommandanten. Neben genereller Nachrichtenbeschaffung war der DGSE für die Sicherheit des Flughafens Tegel, der Cité Foch sowie dem Quartier Napoléon zuständig. Daneben existierte eine Einheit des militärischen Abschirmdienstes DPSD.
Sitz des DGSE war anfangs in Frohnau, dann in der Kaserne Quartier Napoléon sowie im französischen Viertel Cité Foch im Waidmannslust.

Die Briten waren mit zwei Geheimdiensten in West-Berlin aktiv, dem Secret Intelligence Service (SIS) sowie dem militärischen Aufklärungs- und Abwehrdienst (DIS). Zusätzlich gab es die Zentrale Fernmeldeaufklärung (GCHQ). Der Sitz von SIS und DIS in Berlin ist nicht bekannt, vermutlich war er in der Brooks-Kaserne in Spandau (Schmidt-Knobelsdorf-Straße) oder beim Stab Berlin Brigade in der Charlottenburger Hans-Braun-Straße.
Die Briten unterhielten das Observationskommando „Charly“, das speziell für die Beobachtung des KGB zuständig war.

Der russische Komitee für Staatssicherheit (KGB) betrieb in Karlshorst den größten Stützpunkt außerhalb der Sowjetunion. Mindestens 350 feste Mitarbeiter saßen in der KGB-Zentrale in der Zwieseler Straße. Ein weiterer Stützpunkt befand sind in der Botschaft der UdSSR in Mitte, Unter den Linden.
Das KGB war Teil der russischen Besatzungsmacht und hatte als solches fast uneingeschränkten Einfluss auf die Politik in der DDR. Die Stasi wurde durch das KGB aufgebaut und kontrolliert, kein Politiker konnte ohne den sowjetischen Segen in der DDR agieren.

Das Landesamt für Verfassungsschutz befand sich während des Kalten Kriegs nur wenigen Meter vom US-Konsulat entfernt. Aus der Villa an der Ecke Clayallee / Auf dem Grat wechselte der Dienst später zum Kleistpark in die Potsdamer Straße.

Der größte jemals existierende deutsche Geheimdienst war das Ministerium für Staatssicherheit. Mit 110.000 hauptamtlichen Mitarbeitern arbeiteten vermutlich mehr Menschen für den ostdeutschen Dienst, als für die US-amerikanische CIA. Die Stasi war nicht nur der DDR überall präsent, sondern agierte auch sehr erfolgreich im internationalen Maßstab. Vor allem in der westdeutschen Politik gelang es ihr, unzählige Personen für ihre Ziele einzuspannen. Sie warb bei zahlreichen Ministerien der Bundesrepublik Informanten an, aber auch bei Geheimdiensten, in Parteien, Medien und in der Wirtschaft.

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