Vergessliche Diplomatengattin

Das Hotel war wieder mal von schwar­zen Luxus­ka­ros­sen umstellt. Vor allem Botschafts­wa­gen, mit einer 1 hinter dem Binde­strich auf dem Kenn­zei­chen. Das sieht gut aus, und da es schon nach 23 Uhr ist dürfte die Veran­stal­tung bald vorbei sein. Also stelle ich mich mit dem Taxi direkt neben den Eingang.
Tatsäch­lich strö­men die beman­tel­ten Diplo­ma­ten kurz danach auf den Vorplatz, wo sie von ihren Fahrern in Empfang genom­men werden. Einer von ihnen steht suchend am Eingang, eine Frau an seiner Seite. Offen­bar ist sein Wagen nicht da und auch am Handy erreicht er seinen Fahrer nicht. Ich denke noch, dass der am nächs­ten Tag bestimmt Ärger bekommt, da kommen die beiden schon auf mich zu und stei­gen ein. Als erstes fahren wir zu seiner Botschaft, sie ist nicht weit. Dort ange­kom­men steigt er aus, gibt er mir zehn Euro, “den Rest bekom­men Sie von meiner Frau!” Sie nennt mir die Adresse in Char­lot­ten­burg, einige Minu­ten später stehen wir vor der Tür. Der Taxa­me­ter steht auf 11,50 EUR, “dann bekomme ich bitte noch 1,50 Euro.”
Die Dame schaut sich um und sagt, dass wir ja an der falschen Adresse sind. Da sie kaum Deutsch spricht und kein Englisch, dauert es eine Weile, bis ich verstehe: Sie hat mir aus Verse­hen die falsche Adresse genannt, weil sie vor Kurzem umge­zo­gen sind. Also gehts weiter zur neuen Resi­denz, es sind nur ein paar hundert Meter.
Als ich von ihr nun die 3 Euro haben möchte, sucht sie in ihrer Hand­ta­sche. Aber vergeb­lich, kein Port­mo­nee da, kein Geld, keine Kredit­karte. “Verges­sen, verges­sen” sagt sie, fast weinend und schaut mich mit verzwei­fel­tem Gesicht mitleid­hei­schend an, wie es nur Frauen, Kinder und Hunde können. Ich zeige nach oben zum Haus und frage “Geld?” Sie rennt raus zum Eingang, dann wieder zurück zum Taxi, weil sie die Hand­ta­sche mit dem Schlüs­sel verges­sen hat. Da ich weiß, von welchem Botschaf­ter sie die Ehefrau ist, lasse ich sie ohne Pfand hoch gehen (und hoffe, dass sie mich hier unten nicht vergisst).
Kurz darauf kommt ihr Sohn herun­ter, der wesent­lich besser deutsch spricht. Es ist ihm unan­ge­nehm, er entschul­digt seine Mutter und gibt mir das Geld: “Manch­mal ist sie etwas vergess­lich”.
“Nicht so schlimm”, antworte ich, “du hast sie ja geret­tet!” Wir lachen beide und ich fahre weiter.

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