Und wieder einmal geht ein Aufschrei durch die Parteien. Meist sind es ja Hitler-Vergleiche (egal von welcher Seite), die die künstliche Empörung auslösen, diesmal aber hat sich die Linke Gesine Lötzsch das Fettnäpfchen selbst hingestellt. Aber warum auch nicht, Show gehört zum politischen Geschäft, und mehr als Show kann ich langsam auch nicht mehr darin erkennen.
Aber der Reihe nach:
Gesine Lötzsch stammt aus der DDR, war dort schon fleißige Parteiarbeiterin und durfte dafür Jahre vor der Wende im nichtsozialistischen Ausland studieren. Seit der Umwandlung der SED in die PDS war sie immer wieder Funktionärin in den obersten Etagen der Partei. Man kann wohl davon ausgehen, dass sie nach mehr als 25 Jahren politischer Erfahrung weiß, was sie sagt.
Aber was hat sie gesagt?
Die einstige FDJ-Zeitung “Junge Welt”, die heute vor allem von kommunistischen Sektierern und Autonomen gelesen wird, druckte am 3. Januar Auszüge einer Rede, die Lötzsch am Wochenende bei einer Veranstaltung halten wird und bei der sie u.a. mit Gewerkschaftlern, einer Ex-RAF-Frau und Autonomen Antifas auf dem Podium sitzt. “Wege zum Kommunismus” ist der Text überschrieben und er lässt keine Zweifel aufkommen, dass sie genau den auch will: Den Kommunismus. Doch was ist das für ein Kommunismus? Die DDR? Stalins Sowjetunion? Maos China? Pol Pots Kambodscha? Oder vielleicht Ortegas Nicaragua?
In ihrem Text ist sie sich da nicht so sicher: “Sind wir wirklich schlauer?” fragt sie. Und wenn auch ihre jetzige Partei noch immer kein Programm hat, zählt Lötzsch doch schon einige Punkte auf, die ihrer Meinung dort wohl hinein gehören. “Übergang zu einer dezentralen Energieproduktion und ‑versorgung, weitgehende Verlagerung der Transporte auf die Schiene und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs bis hin zu entgeltfreien Angeboten. Schnelle energetische Sanierung des Wohnungs- und Gebäudebestandes, Mindestlöhne, soziale Sicherheit…” Alles Punkte, über die man als Ziele reden muss, die sich aber nicht als Schreckgespenst eignen. Wenn man allerdings die Linkspartei sieht, wundert man sich eher, dass sie sich noch nicht selber gegenseitig abgeschafft hat. Aber das ist ein anderes Thema, auch wenn Gesine Lötzsch, die Partei immer wieder mit kommunistischen Ideen verknüpft.
Warum aber ist “der Kommunismus” heute immer noch so ein großes Reizthema? Immerhin hat die Ankündigung dieser Rede dazu geführt, dass CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gleich das Verbot der Linkspartei fordert. Dass Westerwelle auch sofort gegen die Linke hetzt und in seiner “großen Rede” gestern sogar Passagen daraus verlas, wundert niemanden.
Wundern tu ich mich aber, dass eine Partei wie die CSU das Verbot der Linken fordert. Mit welchem Recht denn? Wenn die CSU für Demokratie ist und die Linke verbieten will, weil diese undemokratisch sei, dann ist diese Forderung doch auch undemokratisch, oder? Schließlich heißt Demokratie ja, dass es politisch unterschiedliche Parteien geben soll. Oder bedeutet für Dobrindt Demokratie, dass die CSU allein regieren muss? Und muss Bundeskanzlerin Merkel dann auch abgesetzt werden, weil sie ja mal Funktionärin einer kommunistischen Organisation war?
“Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.”
Dieser Satz aus dem Mund von Guido Westerwelle ist schon merkwürdig, hier kann man ihn sich anhören:
Natürlich ist der Kommunismus aufgrund der Geschichte diskreditiert. So wie auch der Faschismus, den es im 20. Jahrhundert ebenfalls in mehreren Spielarten gab. Aber was ist die Alternative? Ist die parlamentarische Demokratie wirklich die Lösung? Vergessen wir nicht, dass die USA als Demokratie Kriege wie gegen Vietnam geführt haben, die nichts anderes waren als Völkermord. Auch im Irak hatten sie nichts zu suchen. Und es ist diese Demokratie, die noch immer Afrika ausbeutet, über Monokulturen in den Erzeugerländern Hunger produziert, die zulässt, dass Anti-Aids-Medikamente für ganze Völker unbezahlbar sind, und, und, und…
Sicher, Demokratie ist besser als Diktatur, so wie Sonnenbrand besser ist als Erfrierungen. Aber gehört es nicht zur Demokratie, dass man sich öffentlich Gedanken darüber machen darf, ob es nicht einen Weg gibt, der für die Menschheit besser ist? Nicht nur für die oberen Zehntausend, die 99 Prozent der Produktionsmittel kontrollieren, sondern auch für den lächerlichen Rest von 6,5 Milliarden Menschen?
Vielleicht geht es gar nicht um Demokratie contra Diktatur. Sonst würden die USA nicht seit 200 Jahren immer wieder Diktatoren unterstützen, solange diese nur brav mit dem Schwanz wedeln, wenn US-Amerika das Stöckchen hinhält. Geht es nicht viel eher um eine soziale Frage? Also darum, dass es viel wichtiger ist, jedem Menschen auf der Erde ein menschenwürdiges Leben zu garantieren, ohne Hunger, mit einem sicheren Zuhause, ohne Angst vor Folter. Das würde aber bedeuten, dass manche Aktionäre etwas weiger Dividende bekämen, was offenbar schon reicht, um soziale Forderungen zu bekämpfen.
Der Kommunismus hat auf jeden Fall so viele dunkle Flecken auf der Weste wie andere Diktaturen. Aber die Demokratie ist ebenfalls nicht sauber, sie kann ihre Flecken nur besser kaschieren und notfalls rechtfertigen. So wie in Afghanistan, wo es beim Einmarsch 2002 angeblich nur um den Sturz eines terroristischen Regimes ging. Doch nachdem es im selben Jahr gestürzt wurde, sind die Invasoren nicht etwa wieder abgezogen. Nein, die Demokraten sind noch immer dort und sie wundern sich, darum so viele Menschen aus der Bevölkerung gegen sie sind. Nicht nur Talibans und Al-Qaida-Anhänger. Vielleicht wollen sie ja die westliche Demokratie nicht? Aber sie wird ihnen aufgezwungen, mit allen Mitteln. Koste es soviel Menschenleben, wie es wolle.
Ich glaube nicht, dass Gesine Lötzsch einen Kommunismus a la Stalin oder Mao möchte. Solche Leute gibt es in der Linkspartei sicher auch, das kann schon sein. Aber im Gegenzug tut die CDU oder die CSU auch bis heute nichts gegen die Rechtsextremisten, die sie in ihren Reihen schon immer hatten.
Dass nun auf Lötzsch und die Linke rumgetrampelt wird, weil sie das Wort Kommunismus in den Mund genommen haben, sagt mehr über das undemokratische Denken von Dobrindt , Westerwelle & Co. aus als über das der Linkspartei. Wer allein schon die Thematisierung verhindern will, macht sich verdächtig.
10 Gründe, warum der Kommunismus schlecht für uns wäre:
http://is.gd/knWiX
Hallo Ralle,
absolute Klasse!
— Lesen
— Sacken lassen
— Verstehen
— Herzlich Lachen
— Schlucken
— Heulen
Oh Mensch es gibt noch viel zu tun…
Traurig auch, was die Reaktion auf Proteste gegen die Veranstaltung waren.