Spionage und Sabotage: Die KgU

Zwischen Grün­dung der DDR und dem Mauer­bau gab es Berlin die welt­weit wohl größte Dichte von Spio­nen und Agen­ten. Neben den eins­ti­gen Verbün­de­ten Sowjet­union und auf der ande­ren Seite USA, Groß­bri­tan­nien und Frank­reich, gab es auch die Deut­schen, die von Anfang an in den Kalten Krieg inte­griert waren. Immer­hin stan­den sich die beiden Blöcke kaum irgendwo auf der Welt so nah gegen­über, wie in Berlin. Dabei waren nicht nur staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen geheim­dienst­lich tätig. Vor allem in West-Berlin gab es einige Leute, die sich genö­tigt fühl­ten, den Aufbau eines sozia­lis­ti­schen Staa­tes in der ande­ren Stadt­hälfte zu sabo­tie­ren. Manche waren einfach nur aufge­hetzt, denn die offi­zi­elle Propa­ganda in West wie in Ost war sehr massiv. Wo sie nicht reichte, wurde auch geschos­sen, wie an der Grenze zwischen Wedding und Prenz­lauer Berg (Behm­straße) und Mitte (Bernauer Straße) oder zwischen Kreuz­berg und Mitte (Zimmer­straße). West-Berli­ner Poli­zei und Vopo setz­ten dabei oft Tränen­gas ein, aber aber es wurde auch scharf geschos­sen. Mehr­mals gab es bei diesen Ausein­an­der­set­zun­gen Todes­op­fer.
Manche  entschie­den sich aus priva­ten Grün­den zu einem Kampf gegen das Regime von Walter Ulbricht. Einer der bekann­tes­ten war Rainer Hilde­brandt. Lange Zeit galt er als rech­ter Hard­li­ner, selbst als Rechts­extre­mist wurde er bezeich­net, nicht nur in der DDR-Propa­ganda, sondern durch­aus auch im Westen. Dabei war er das ganz sicher nicht. Schon in der Nazi­zeit hatte Hilde­brandt sich konse­quent gegen Unmensch­lich­keit gewandt. Er schmug­gelte Lebens­mit­tel in Lager mit russi­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen und hielt Kontakt zu ande­ren Nazi­geg­nern, wie Harro Schulze-Boysen und Alfred Haus­ho­fer, mit dem er auch befreun­det war. Nach dem Anschag von 20. Juli 1944 wurde er von der Gestapo verhaf­tet, das Kriegs­ende rettete ihn vor der Hinrich­tung. In den ersten Jahren nach der Befrei­ung war er einer der ersten, die eine Verbin­dung herstell­ten zwischen der Dikta­tur der Nazis und der Sowjets. Er rich­tete sich gegen jeden poli­ti­schen Extre­mis­mus und klagte die neuen Inter­nie­rungs­la­ger der russi­schen Besat­zer in der DDR an, die damals noch “Sowje­tisch besetzte Zone” (SBZ) hieß. Dass er sich damit in der SED keine Freunde machte, war klar.

Im Früh­jahr 1948 grün­dete Rainer Hilde­brandt eine Orga­ni­sa­tion, deren Name martia­li­scher war, als ihre Aufgabe: “Kampf­gruppe gegen Unmensch­lich­keit” — KgU. Einer ihrer Mitbe­grün­der war Ernst Benda, viele Jahre später Präsi­dent des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts.
Die KgU kümmerte sich anfangs um Opfer der östli­chen Besat­zer und Geheim­dienste, stellte Nach­for­schun­gen bei poli­ti­schen Entfüh­run­gen an, die damals öfters vorka­men. Sie infor­mierte auf Flug­blät­tern über die Akti­vi­tä­ten der Staats­si­cher­heit und rief gleich­zei­tig erfolg­reich dazu auf, Infor­ma­tio­nen an sie zu liefern. So entwi­ckelte sich die KgU lang­sam zu einer nicht­staat­li­chen, geheim­dienst­li­chen Orga­ni­sa­tion, die ein eige­nes Infor­man­ten­netz in der DDR aufbaute, dem haupt­säch­lich Schü­ler und Studen­ten ange­hör­ten. Sie sammel­ten Stand­orte von Gefäng­nis­sen und Lagern, sowie Namen von Agen­ten des NKWD1. Nach eige­nen Anga­ben wurden rund 100.000 Agen­ten enttarnt, viele dieser Namen wurden in einer spezi­el­len, regel­mä­ßi­gen Sendung des RIAS sogar veröf­fent­licht. Aller­dings stellte sich heraus, dass es sich oft um Falsch­in­for­ma­tio­nen oder pure Gerüchte handelte. Ihre zahl­rei­chen Kontakte mach­ten die KgU natür­lich auch für den US-ameri­ka­ni­schen Geheim­dienst inter­es­sant, der recht früh die Finan­zie­rung der Gruppe über­nahm.

Hilde­brandt und die KgU versuch­ten in der DDR auch poli­ti­sche Kampa­gnen zu star­ten. Zwei “Tage des Schwei­gens” waren komplette Rein­fälle, anders jedoch die Initia­tive “F — wie Frei­heit”. Hundert­tau­sende Hand­zet­tel sind im ganzen Land ausge­legt, verteilt, von Häusern und aus fahren­den Zügen gewor­fen worden. An unzäh­li­gen Haus­wän­den wurde nachts nur ein “F” gemalt, bald wusste jeder, was es bedeu­tet. Das “F” wurde zum Symbol für den Wider­stand gegen das kommu­nis­ti­sche System und entspre­chend hart schlug dieses zurück. Der 19-jährige Ludwig Hayne und Günther Malkow­ski (26) wurden nach Moskau gebracht und dort hinge­rich­tet, weil sie KgU-Flug­blät­ter mit dem “F” verteilt hatten. Sie blie­ben nicht die einzi­gen: Mehrere hundert DDR-Bürger wurden allein 1951 wegen Zusam­men­ar­beit mit der KgU verhaf­tet, mindes­tens 42 von ihnen zahl­ten dafür mit dem ihrem Leben.

Diese gnaden­lose Härte radi­ka­li­sierte die KgU. Ein Teil wollte die tatsäch­li­che Hinwen­dung zu einer Kampf­gruppe, die auch mili­tante Aktio­nen durch­führt.
In der Folge gab es in der DDR zahl­rei­che Sabo­ta­ge­ak­tio­nen der Orga­ni­sa­tion, sowohl gegen mili­tä­ri­sche wie auch gegen zivile Einrich­tun­gen. Propa­gan­da­pla­kate wurden ange­zün­det, Autos der SED, der Volks­po­li­zei und der Staats­si­cher­heit zerstört. Außer­dem plante die KgU-Unter­gruppe um Johann Buria­nek einen Bomben­an­schlag nahe Erkner, bei dem eine Eisen­bahn­brü­cke auf der Stre­cke nach Moskau gesprengt werden sollte. Doch auch Buria­nek wurde verhaf­tet und hinge­rich­tet.
Frag­wür­dig waren vor allem die Aktio­nen der KgU, die sich gegen die Versor­gung der DDR-Bevöl­ke­rung rich­tete. In Ost-Berlin und dem Umland wurden Lebens­mit­tel­la­ger in Brand gesetzt, durch Sabo­tage an Güter­zü­gen mit verderb­li­cher Ware sind mehrere hundert Tonnen Obst, Gemüse und Fleisch vernich­tet worden. Leid­tra­gende waren natür­lich die einfa­chen Bürger.
1952 kam es deshalb zur Spal­tung der KgU, der gewalt­freie Flügel verließ die Gruppe, Rainer Hilde­brandt grün­dete die “Arbeits­ge­mein­schaft 13. August”, die 1962 in der Bernauer Straße den Vorläu­fer des Mauer­mu­se­ums eröff­nete.

Die Kampf­gruppe gegen Unmensch­lich­keit war in den zehn Jahren ihres Bestehens stets im Blick­feld verschie­de­ner Inter­es­sen­ten. Der CIA hatte seine Finger drin, NKWD und die Staats­si­cher­heit versuch­ten sie zu unter­wan­dern und zu zerschla­gen. Orga­ni­sa­tio­nen wie das Rote Kreuz und die Cari­tas wurden zur Finan­zie­rung vorge­schickt, der Berli­ner Senat unter­hielt Kontakte sowie auch die Bundes­zen­trale für Heimat­dienst, Vorläu­fer der Bundes­zen­trale für poli­ti­sche Bildung.
1959, zehn Jahre nach ihrer Grün­dung, wurde die KgU offi­zi­ell aufge­löst. Es gab keine Unter­stüt­zung in der west­li­chen Öffent­lich­keit mehr, weil junge Menschen zu leicht­fer­tig zu lebens­ge­fähr­li­chen Aktio­nen verlei­tet wurden.

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  1. Russi­scher Geheim­dienst []

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